Willkommen in Kyrat. Far Cry geht in die vierte Runde und – soviel schon einmal vorweg – spielt sich in großen Teilen wie sein direkter Vorgänger. Was zweifelsfrei Nichts schlechtes bedeuten muss, schließlich erinnern wir uns immer noch gerne an Far Cry 3. Aber wieso einen Blick auf den neuen Ableger werfen? Das erfahrt in unserer Review.
Story
Mit Far Cry 4 zerren uns Entwickler Ubisoft Montreal und Red Storm Entertainment von der idyllischen Tropen-Insel, machen Schluss mit Piraten und Söldnern und schenken uns einen Freiflug in ein noch relativ unverbrauchtes und interessantes Setting: Die fiktionale Himalaya-Region Kyrat. Diese ist nicht nur schön anzuschauen, sondern gleichzeitig die Heimat des Protagonisten Ajay Ghale, dessen Mutter vor vielen Jahren das Land mit ihm verließ, um in die Staaten zu fliehen. In der Haut eures alter Ego macht ihr euch nun zurück nach Kyrat, um die Asche eurer Mutter zu verstreuen – und geratet mitten in einen regelrechten Krieg, der zwischen den Soldaten des Antagonisten Pagan Min und den sogenannten Kriegern des Goldenen Pfads tobt.
Schnell werden die Fronten abgesteckt: Pagan Min ist der Böse, Amita und Sabal, zwei Führer des Goldenen Pfads, die Guten in der Geschichte. Dabei versucht Ubisoft durch grundlegend unterschiedliche Charakter-Typen die Grenzen zwischen Yin und Yang aufzulösen. Mit großem Erfolg. Sogar so großem Erfolg, dass der´“tyrannische“ Pagan Min zumindest auf uns oftmals gar nicht mal so einen bösen Eindruck macht. Hingegen sind die Forderungen und Beweggründe von Amita häufig zweifelhaft. Sie will das Land modernisieren – und schreckt dabei auch nicht vor Drogenhandel oder der Opferung von Bürgern und Soldaten für diesen Zweck zurück. Doch auch der traditionell angehauchte Sabal scheint einige dunkle Geheimnisse zu haben. Erneut bietet Far Cry also eine Vielzahl an Charakteren unter einem Dach, wie sie das Leben nicht unterschiedlicher Schreiben könnte.
Auch bekannte Gesichter und Geschichten aus der Videospiele-Reihe sind vertreten. So zum Beispiel der etwas, sagen wir mal extovertierte Hurk aus Far Cry 3 oder der durch einen Kopfschuss gottesgläubig gewordene Waffenhändler Longinus, der aus UAC stammt – dem Setting von Far Cry 2. Dennoch schafft es die Figuren in Far Cry 4 nicht annähernd an die Brillanz des Vorgängers anzuschließen. Nach einem Jason oder einer Citra suchen wir leider vergebens – ganz zu schweigen von Vaas, der wohl noch für lange Zeit unerreicht bleiben wird. Außerdem schafft es die Story nie wirklich davon zu überzeugen, wieso wir uns nun eigentlich dem Kampf der Eingeborenen anschließen – Vorfahren und Herkunft hin oder her.
Gameplay
Wie in Far Cry 3 dreht sich der Großteil des Gameplays um das Einnehmen von Vorposten, das Retten von Verbündeten und das Sammeln von Pflanzen und Tierfellen. Dafür bekommt ihr viele bekannte, aber auch einige neue Spielzeuge in die Hand gedrückt. Der Bogen zum Beispiel spielt weiterhin eine großere Rolle – vor allem für das Erlegen von Tieren, die durch einen „sauberen Kill“, also durch das Nichtbenutzen von Projektil- oder explosiven Waffen den doppelten Ertrag bietet und euch so schneller zu dringend benötigten Upgrades eurer Ausrüstung bringt. Viele der zahlreichen Waffen lassen sich zudem weiter aufrüsten und an eure Bedürfnisse anpassen. Das ist auch dringend nötig, denn Kyrat lauert voller Gefahren von denen die feindlichen Soldaten nur einen kleinen Teil darstellen. Die stellen sich nämlich unabhängig vom Schwierigkeitsgrad meist nur als simples Kanonenfutter heraus. Die KI ist im direkten Gefecht zwar alles andere als dumm, sorgt aber wie schon im Vorgänger für den ein oder anderen unfreiwilligen Lacher, wenn man aus dem Hinterhalt angreift. Hinzu kommen Eingeborene, die sich im Minutentakt von wilden Tieren angreifen lassen, wildgewordene Autofahrer, die ihren Führerschein scheinbar in einer Kiste zwischen einem Kondom und einer Maxi-Binde gefunden haben und wandernde Händler, die sich von einer Vollbremsung in Todesangst versetzen lassen.
Größere Gefahr stellt definitiv die virtuelle Fauna dar. Unterschiedlich aggressiv agierende Tiere bringen euch nicht selten in Schwierigkeiten, vereiteln einen lautlosen Schleichangriff auf das feindliche Lager oder schicken euch direkt in die ewigen Jagdgründe. Wölfe, Tiger, Nashörner, ja sogar Wildschweine und Yaks haben es auf euch abgesehen. Besonders nervig gestalten sich die Angriffe der Adler, die meistens wie aus dem Nichts geschehen und euch einen gewaltigen Teil der Lebensenergie abziehen. Habt ihr hier noch keinen Schalldämpfer auf dem Gewehr bleibt euch fast nichts anderes übrig als eure Deckung zu verraten, indem ihr wild auf die fliegenden Killermaschinen ballert.
Nerviger sind nur noch die ständigen Animationen fürs Plündern, Häuten und Sammeln. Was man Far Cry 4 jedoch auf keinen Fall vorwerfen kann ist ein Mangel an Freiheit. Die offene Spielwelt lässt sich nach belieben erkunden und bereisen, wie ihr die Gegner erledigt bleibt fast immer euch überlassen. Besonderen Spaß macht das natürlich auf dem Rücken eines Elefanten, mit dem ihr sogar Fahrzeuge durch die Gegend schleudern könnt, als wären sie aus Pappe. Apropos Fahrzeuge: In Kyrat warten einige bewegliche Untersätze darauf von euch geschrottet zu werden. Dazu gehören Quads, Autos, Jeeps, Boote und der äußerst nützliche Gyrocopter, mit dem ihr unbehelligt und schnell von A nach B fliegen könnt. Zwischendurch mit ein paar Granaten unter euch für Chaos stiften inklusive. Außerdem neu ist die Möglichkeit den Autopiloten bei euren Fahrzeugen einzuschalten. Dadurch könnt ihr eventuelle Widersacher mit eurer Seitenwaffe erledigen, ohne euch auf die Straße konzentrieren zu müssen. Die Fahrhilfe funktioniert zwar nur auf den Hauptstraßen, stellt hier jedoch eine ungemeine Erleichterung dar. Wenn sie euch nicht gerade mal wieder in ein anderes Auto oder gegen einen Baum fahren lässt, versteht sich. Aber deshalb heißt es ja auch die und nicht der Fahrhilfe.
Coop und Mehrspieler
Im Gegensatz zum Vorgänger spendiert Ubisoft euch in Far Cry 4 keine eigene Storyline für den kooperativen Modus. Stattdessen könnt ihr außerhalb der eigenen Hauptmissionen mit wenigen Klicks entweder einen Freund oder einen zufälligen Mitspieler dazu einladen, sich eurem Kampf um Kyrat anzuschließen. Oder natürlich selbst eure Hilfe online anbieten. Das bietet sich vor allem für die Einnahme von Vorposten und den neuen Festungen an, von denen aus immer wieder Feinde losgeschickt werden, um bereits eingenommene Außenposten im Gebiet zu attackieren. So kann euer Mitspieler zum Beispiel für Ablenkung sorgen, während ihr euch still und heimlich von hinten durch die Reihen schleicht. Oder ihr metzelt euch einfach gemeinsam durch die Gegnerschar. Das macht ordentlich Spaß und eröffnet neue taktische Möglichkeiten. Wirklich nötig ist die Hilfe anderer Spieler jedoch nicht: Auch die stark bewachten Festungen sind mit ein wenig Geduld, Strategie und ein paar lautlosen Waffen ohne größere Probleme einnehmbar. Außerdem bricht die Verbindung zu Mitspielern weiterhin häufig ab.
Auch der kompetitive Mehrspielermodus leidet noch unter leichten, serverseitigen Problemen, ist jedoch weitestgehend spielbar. In einem Team aus maximal vier weiteren Spielern kämpft ihr gegen ein idealerweise gleich großes Gegenteam in einem der drei verfügbaren Modi: Außenposten, Dämonenmaske und Propaganda. Jeder Modus bringt unterschiedliche Aufgaben und Herausforderungen mit sich. Müsst ihr in “Propaganda” zum Beispiel als Teil der Rebellenmacht drei Einrichtungen der Rakshasa vernichten, heißt es in “Außenposten” einen Stützpunkt zu errichten und zu verteidigen. Der Modus “Dämonische Maske” schickt euch auf die Suche nach einer namensgebenden Maske. Habt ihr diese gefunden müsst ihr sie zu einem der markierten Punkte bringen, sie zerstören und damit einen Punkt für das Team holen.
Nach der Hälfte einer Online-Partie wechselt die Seite und damit die Faktion, der ihr angehört. Während die Anhänger des Goldenen Pfads auf durchschlagskräftige Waffenkraft setzt, könnt ihr euch als Rakshasa unsichtbar machen und wilde Tiere in den Kampf rufen. Ein Glockenturm ermöglicht euch außerdem auf der Seite des Goldenen Pfads die Position der Feinde auf der Minimap zu sehen. Dieser kann jedoch auch wieder deaktiviert werden, wodurch die Schlacht oft nicht nur um das eigentliche Ziel tobt, sondern auch ein ständiger Kampf um das Aktivieren und Deaktivieren des Turms entfacht wird.
Das Setting
Im Setting lauert der wohl eindeutigste Grund sich Far Cry 4 im wahrsten Sinne einmal genauer anzuschauen. Schluss mit Strandparty, auf in die Berglandschaft des Himalajas. Und hier haben sich die Entwickler wirklich Mühe gegeben: Das Leveldesign von Far Cry 4 wirkt bis ins kleinste Detail durchdacht und authentisch. Angefangen von den unzähligen Gebetsfahnen, die überall in Kyrat an Häusern, Schreinen und Bergipfeln befestigt sind bis hin zu den kleinsten Ecken der riesigen Map, in denen es immer etwas zu entdecken gibt. Auch die Tierwelt bietet einiges zu sehen: Adler, die herunter stürzen, um ein Beutetier zu fangen, Bären, die um ihr Revier kämpfen, Nashörner, die wie von der Vespa ducalis gestochen auf die Straße rennen und euch samt eurem Auto von der Straße rammen. Selten kann ein Spiel alleine durch das Setting und Drumherum so gut Punkten, wie es mit Far Cry 4 der Fall ist.
Sound & Grafik
Die Dunia-2-Engine zeigt was in sich steckt. Zwar ist die im Vergleich zur Grafik von Far Cry 3 wohl kein Meilenstein, diese zeigte sich aber bekanntlich schon hervorragend und wurde nun noch zusätzlich abgerundet und an einigen Ecken und Kanten verschönert. So zeigt sich das Umland von Kyrat – sofern die Hardware passt – durchgehend von seiner besten Seite. Leider gibt es wie schon im Vorgänger gelegentliche Grafikprobleme wie spät ladende Texturen, eine fehlende Trefferanimation für eure Nahkampfwaffe und selten einige Clipping-Fehler. Außerdem ein stätig bemängelndes Feature: Die Unterstützung von Ultra-Widescreens im 21:9-Verhältnis ist zwar vorhanden, muss jedoch umständlich über die Einstellungen nachgebessert werden (Fenstermodus muss auf Randlos, nicht auf Vollbild gestellt werden). Zudem sind alle Cutszenes und HUD-Elemente nur in 16:9-Ratio zu sehen. Letzteres fällt vor allem beim Tragen einer Sauerstoffmaske auf, die dann einfach mal nur die Mitte des Bildschirms ziert. Ärgerlich.
Der Soundtrack zeigt sich stimmig und passend zum Setting. Wir vermissen lediglich die energiegeladene musikalische Untermalung des Vorgängers. Wie oft lohnte es sich die Marihuana-Plantage erneut zum kräftigen Beat von Skrillex und Damian Marley in Rauch aufgehen zu lassen und wie oft sind wir in einen regelrechten Killingspree verfallen, wenn die Kampfmusik einsetzte? Hier hätte das Setting ruhig ein wenig vernachlässigt werden können, wenn ihr uns fragt. Dann wäre vielleicht auch der fäkalfixierte Radiosprecher, dessen leider nur mäßig lustigen Sprüche ihr euch in ständiger Schleife anhören müsst, etwas erträglicher. Und wenn wir schon bei Sprechern sind: Erneut hat Ubisoft für die deutsche Vertonung der Charaktere große Kaliber aufgefahren. So schenkt Thorsten Michaelis seine Stimme nicht nur Schauspielern wie zb. Wesley Snipes, sondern auch dem Antagonisten Pagan Min. Weitere Synchronisationen kommen von Erich Räuker (Richard Dean Anderson), Marius Clarén (Tobey Maguire) und Maria Koschny (Jennifer Lawrence).
Wenn ihr euch außerdem fragt, woher euch die gelegentlich zu hörende Stimme des Protagonisten Ajay bekannt vor kommt: Die berühmteste Sprechrolle des Synchronsprechers Kim Hasper dürfte wohl die von John Dorian aus der Fernsehserie Scrubs sein.
Noch nicht genug von Far Cry 4 gesehen und gehört? Dann schaut euch einfach unsere Video-Review auf YouTube an.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=YYRaBsrBs9Y[/youtube]
Durch die Luft laufende Feinde, Maxi-Binden und Schmuddelheftchen, ein Radiosprecher mit Vorliebe für seinen eigenen Stuhlgang – an einigen Stellen lässt mich Far Cry 4 vor der schweren Entscheidung stehen, ob ich nun lachen oder mit dem Kopf schütteln soll. Die Macher übernehmen zudem mit der Dunia-2-Engine viele Fehler aus dem Vorgänger. Dazu gehören zum Beispiel die stellenweise total überforderte KI und nicht allgegenwärtige, aber auffällige Glitches. Grafisch bietet Ubisoft keinen Quantensprung, aber eine noch abgerundetere und detailliertere Umgebung. Auch Gameplay-technisch hat sich wenig getan: Hier und da ein paar neue Spielzeuge, eine Hand voll neuer Features – aber immer noch das gleiche, ständige Vorposten-Einnehmen, Auftragsmorde-Erfüllen und Tiere-Erledigen. So machte sich von der ersten halben Stunde an direkt das Gefühl breit, eher ein Far Cry 3.2 in den Händen zu halten – und schafft es damit in meinen Augen nicht zum Must-Have dieses Jahres.
Doch jetzt kommt der Twist: Far Cry 4 übernimmt nicht nur die Schwächen, sondern vor allem die Stärken des grandiosen Vorgängers mit, rundet sie ab und packt sie in ein tolles und frisches Setting – und genau deshalb macht Far Cry 4 mindestens so viel Spaß wie sein Vorläufer und kann genauso lange fesseln. Neben ähnlich starken und verrückten Charakteren wie Vaas vermisse ich jedoch vor allem eine motivierende Hintergrund-Musik à la Far Cry 3. Und wenn schon kein energiegeladener Dubstep, dann doch wenigstens (Achtung: Wortwitz) ein wenig Pagan-Metal.