Man muss sich diese Frage immer wieder stellen, denn Publisher liefern uns oft genug den Grund dafür: Geht es mit der Spieleindustrie bergab?
In der letzten Zeit sind immer häufiger Spiel erschienen, von denen man nicht wirklich behaupten kann, dass sie zum Launch wirklich gut liefen. In manchen Fällen bekamen die Spieler sogar nur bedingt fertige Produkte und das betreffende Spiel musste sogar über Monate hinweg vom Markt genommen werden. Doch warum ist das so? Ist es um unsere Spieleindustrie, die seit Jahren immer höhere Gewinne einfährt, wirklich so arm bestellt? An den verwendeten Budgets kann es sicher nicht liegen, denn auch mit Millionen im Rücken schaffen es Unternehmen wie DICE, ein Spiel erst Monate nach Launch in einen angenehm spielbaren Zustand zu bringen, während CD Projekt Red mit The Witcher 3 zeigt, dass man auch mit eher knapp bemessenem Budget Großes erreichen kann. Wenn es also nicht am verfügbaren Geld liegt, woran liegt es dann, dass die Spieleindustrie zwar Jahr für Jahr höhere Umsätze erzielt, aber dennoch immer mehr Spieler immer unzufriedener sind?
Fangen wir an mit dem eigentlichen Problem: Der Spielemarkt bietet eine relativ einfache Möglichkeit, ziemlich viel Geld in ziemlich kurzer Zeit zu verdienen. Dementsprechend sind einige Unternehmen immer mehr daran interessiert, einen möglichst großen Gewinn einzufahren und das erreicht man mit mehreren Möglichkeiten: Als erstes wäre da der Idealfall zu nennen, die Entwickler lassen sich Zeit, werden nicht vom Publisher gedrängt, möglichst schnell fertig zu werden und die Qualitätskontrolle ist noch eine wirkliche Kontrolle. Im zweiten Fall wäre der drängelnde Publisher, der den eigentlichen Entwickler bedrängt. Unter Zeitdruck können nur einige Menschen besser arbeiten, nicht alle. Das Ergebnis dieses Zeitdrucks kennen wahrscheinlich die meisten von euch. Die dritte Möglichkeit ist die, die das größte Potential hat, ganze Spielereihen dem Untergang zu weihen. In möglichst geringen Abständen werden neue Teile released, Innovation ist eher ein Fremdwort. Bei diesen Spielen sind die Stammspieler die ersten, die dem Spiel und dem Entwickler enttäuscht den Rücken zuwenden. Bei der dritten Möglichkeit muten sich Entwicklerteams zu viel zu, ohne dass sie Druck von außen bekommen und verschieben Spiele immer wieder nach hinten, was die wartenden Fans natürlich nicht unbedingt zufrieden stimmt, auch wenn das Verschieben von Spielen aus Qualitätsgründen von vielen nachvollziehbar ist.
Wir sehen also, ein großes Problem der Spieleindustrie sind unsere besten Feinde, die Publisher. Überall, wo Unternehmen große Gewinne wittern, fangen Verantwortliche, die mit der eigentlichen Materie im Zweifelsfall nicht viel, dafür aber mit Studiengängen im Managementbereich umso mehr zu tun haben, damit an Grundsätze der Gewinnoptimierung anzuwenden, bei der sich der normale Verbraucher fragen muss, ob derjenige eigentlich selber noch merkt, was er da macht. Aus der rein logischen Betrachtung eines Verbrauchers heraus, will sich einem nicht wirklich erschließen, warum Spiele ein unfassbar großes Marketingbudget bekommen, aber auf der anderen Seite durch Druck vom Publisher, damit das Spiel auch auf jeden Fall zu einem festgesetzten Termin, möglichst optimal zum Weihnachtsgeschäft gelegen und in direkter zeitlicher Konkurrenz zum direkten Konkurrenten, erscheinen kann. Ohne Qualitätskontrollen, zumindest in einem Ausmaß, bei dem es über den grundsätzlichen Check hinaus geht, ob das Spiel auch startet, kann ein Spiel zwar unter Umständen in genau dem von dem Publisher forcierten Zeitfenster erscheinen, aber die gesparten Kosten und die gesparte Zeit werden sich später rächen.
Während also Publisher immer mehr die großen Marktanteile beherrschen, bleibt immer weniger Platz für die kleinen Entwickler-Teams, die heutzutage diese wunderbaren Trendbezeichnung „Indie“ tragen. Und seien wir mal ehrlich: Alles, was nicht von EA, Ubisoft oder Activision vertrieben wird, gilt in der Spieleindustrie heute schon als Indie. Wir haben also nicht nur marktbeherrschende Publisher auf der einen Seite, sondern auch kleine Entwickler-Teams, die noch alles selber machen, wo sogar der Chef noch selber den Kaffee kocht. Das ist ein überaus gefährlicher Trend, der zwar nicht nur schlechtes, sondern durchaus auch was gutes hat, aber er zeigt, in welche Richtung es geht. Da haben die letzten Jahre mit Kickstarter und ähnlichen Plattformen der Spieleindustrie durchaus einen Gefallen getan, und das in mehrfacher Hinsicht.
Während es Indie-Titel nicht zuletzt einem gewissen Klötzchenspiel zu verdanken haben – welches übrigens auch nicht mehr so ganz Indie ist – überhaupt so sehr in den Fokus der breiten Masse der Casual-Spieler gerückt zu sein, verdanken wir der Indie-Szene zahlreiche tolle, geniale und teils auch verrückte Projekte. Allerdings profitieren bei der Spieleindustrie, wie bei jeder anderen Industrieform auch, nicht nur die Spieler von der Indieflut, auch die großen Publisher können für relativ kleine Summen ihr Portfolio hervorragend erweitern. Ein gutes Beispiel dafür ist der Software- und Hardware-Gigant Microsoft, der letztes Jahr in die Tasche gegriffen hat, um besagtes Klötzchenspiel namens Minecraft, besser gesagt, das Indie-Studio Mojang, welches hinter Minecraft steckt, zu erwerben. Microsoft hat das aber sicher nicht nur aus dem Willen heraus gemacht, dem Team mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen, denn mit Minecraft hatte man in Schweden eine wahre Goldgrube entdeckt (für die Minecraft-Spieler unter euch: Diamantader). Viel mehr geht es darum, Kontrolle über die Entwicklung zu haben, um ohne Probleme exklusiv für die hauseigene Konsole zusätzlichen Content an den Mann zu bringen, für den man selbstverständlich auch löhnen darf. Dass Minecraft die Präsentierung der HoloLens im letzten Jahr zudem auch für Gamer attraktiv machte, ist ein netter Nebeneffekt.
Auf der einen Seite haben wir also den großen und finanziell sehr gut aufgestellten Teil der Spieleindustrie, mit Firmen, die regelmäßig als die schlechteste des Jahres ausgezeichnet werden, und auf der anderen Seite Indie-Entwickler, die zwar häufig gute Ideen und erfrischende Konzepte haben, aber mit einem sehr geringen Budget auskommen müssen. Wenn man sich das bildlich vorstellen will, dann sind die Indieentwickler Rehkitze im Tigergehege. Blöde Kombination aus Sicht der Indieentwickler, überaus schmackhaft für die Publisher. Selbst wenn ein Indie-Entwickler, also einer, der eigentlich nur unabhängig von großen Studios entwickelt, mal einen Erfolg feiern sollte, so bleibt er doch die Ausnahme. Ein Multimillionenbudget für schmackhafte E3-Trailer und anschließende PC-Downgrades schlägt leider nach wie vor in jeglicher Hinsicht nahezu jedes Indiespiel. Wenn man sich das vor Augen führt, dann sieht man, was in der Spieleindustrie falsch läuft. Ob sie deswegen auch wirklich bergab geht, hängt von der Betrachtungsweise ab.
Betrachtet man die gesamte Spieleindustrie aus wirtschaftlicher Sicht, dann ist es eigentlich schon ein Frevel, die Frage zu stellen, ob es mit ihr bergab ginge. Zum Glück aber sind wir nicht Teil der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, auch wenn die für die letztendliche Beantwortung der Frage durchaus eine wichtige Rolle spielt. Wir sind die Spieler und die sind nicht nur berechtigt dazu, diese Frage zu stellen, wir müssen sie sogar stellen. Mit viel zu vielen Spielen ist in den letzten Jahren unfassbar viel schief gegangen. Klar, es gab schon immer krasse Katastrophen in der noch recht kurzen Historie der Videospiele, aber so viele eigentlich so vielversprechende Titel innerhalb einer recht kurzen Zeit mit so unfassbar wenig Tiefgang, dafür aber mit so unfassbar vielen Problemchen, Fehlern und anderen Hindernissen? Wenn man sich das vor Augen führt, dann verzweifelt man wirklich an der Spieleindustrie.
Bei der Beantwortung der Frage bleibt nur zu sagen, dass es zwar finanziell nicht bergab geht, ganz im Gegenteil, aber die Masse der Entwicklerstudios, die nicht mehr unabhängig agieren können, hat in den letzten Jahren massiv zugenommen, was einen erheblichen Einfluss auf die Qualität, aber auch auf die Quantität der Spiele hat. Beide Entwicklungen sind dabei keine, die man gutheißen sollte, denn zu Gunsten der Quantität an der Qualität zu sparen, ist eine Schandtat. Letztendlich kann man also sagen, dass es für die Spieleindustrie sowohl bergauf, als auch bergab geht, allerdings lassen Entwicklungen der jüngeren Zeit, besonders lobenswert sei hier das CTE von DICE L.A. für Battlefield 4 und Hardline hervorzuheben, auf Ende der Talfahrt hoffen.
Wie steht ihr momentan zu dieser Frage? Geht es wirklich für die Spieleindustrie bergab?