Die Entwickler manipulieren uns, sie wollen uns süchtig machen, uns regelrecht verarmen lassen: Warum Lootboxen ein Glücksspiel sind, doch ein Verbot eben nicht der richtige Weg ist!
Eine Kolumne von Max Flor
Bevormundung. Ein Wort, welches nicht nur einmal in der Diskussion gefallen ist, wenn es darum geht, Spiele zu verbieten. Ja, einen Menschen, der Monat für Monat malocht, sein Gehalt bekommt und vor allem über 18 ist, gilt in Deutschland als voll geschäftsfähig und mündig und dürfte laut Gesetz alles machen, was er will. Wenn er sich an Selbiges hält. Kann ein erwachsener Mann dann nicht auch selbst entscheiden, was gut und nicht gut für ihn ist?
Niemand mag es, bevormundet zu werden. Nicht ich, nicht Du, keiner. Doch wir Gamer müssen uns mit dieser Bevormundung oft herumschlagen, wenn die BPjM wieder einmal ein Spiel auf den Index setzt. Wenngleich die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien Spiele ab 18 verbietet, die, theoretisch, so oder so nie einem Kind vorgesetzt werden dürften. Und im digitalen Zeitalter sowieso jedes Spiel auch illegal beschafft werden kann. Doch dieses Mal ist nicht die BPjM der Übeltäter, sondern jemand ganz anderes…
Kommen wir wieder zurück zu den Lootboxen. Was tun mit diesen geldverschlingenden Monstern? Sind sie grundlegend schlecht…? Zumindest transportieren sie einen faden Beigeschmack. Egal, in welchem Spiel. Sich etwas in einem Spiel zu verdienen, hängt immer weniger von dem Können oder dem Erreichten ab, sondern von deiner Brieftasche. Du möchtest einen ganz tollen Skin? Dann kauf doch mich, für nur 5,99 €, sagt die Lootbox. Du möchtest dich von den anderen abheben? Dann kauf doch mich, für nur 39,99 € hast du eine Chance von 0,5 %, genau diesen Skin zu erhalten.
Na, vielen Dank auch. Und ja, auch Overwatch – Blizzard, die sich ja gerne fein aus der Diskussion heraushalten oder als das Positivbeispiel genommen werden, sind nicht unschuldiger, als die anderen auch. Jeder von ihnen hat es auf die Anfälligen, man möchte fast armen Schweine sagen, abgesehen, die eher die Brieftasche für Glücksspiele leeren. Dass dieses gezielte Fischen nach solchen Menschen, um einen größtmöglichen Gewinn abzustauben, nicht nur eine widerwärtige Methode ist, sondern auch eine durch profitgierige Anleger gesteuerter Prozess ist, weiß wohl jeder.
Denn wer nutzt Lootboxen? Etwa der kleine Indie-Entwickler von Nebenan? Nein, dann wohl doch eher selten. Es sind Aktiengesellschaften und (fast) immer Milliardenkonzerne. Activision/Blizzard, Electronic Arts, Ubisoft, Take 2, Square Enix Holding, Time Warner (Warner Bros). Der Wille, ein stilistisches Meisterwerk, welches Freude und Spaß bereitet beim Spielen, zu erschaffen, rückt für den Willen nach Geld beiseite. Es geht beim Programmieren eines Spiels nicht mehr um Kreativität, sondern um die maximale Ausbeutung des Spielers durch manipulative Tricks in der Gestaltung des Spieles.
Und nein, das heißt nicht, dass ich den Entwicklern und Publishern ein fettes Plus am Ende des Geschäftsjahres gönne. Gerade Triple-A Titel verschlingen Unmengen an Budget. Doch, und da darf man Jim Sterling zitieren, lautet das Motto dieser einzig am Gewinn interessierten Menschen „I don’t want your money, I want ALL your money“. Immer mehr, mehr und mehr. Und das, obwohl wir schon 70 € für einen Vollpreistitel zahlen, welche sich dann auch noch über 10 Millionen Mal verkauft. Die Rede ist von Battlefront 2. Klar, dem Studio EA bleibt am Ende eher wenig von dem Erlös. Jedoch kann und muss man dank hoher digitaler Verkäufe in heutiger Zeit von Rohgewinnen von über 100.000.000 € ausgehen. Und da DICE ein internes Studio ist, fallen auch millionenschwere Deals weg. Doch auch ein kleiner Reingewinn reicht einem aktiendotierten Unternehmen nicht.
Lootboxen sind gezielt erfolgreich, doch was genau macht sie so arriviert? Dazu muss man analysieren, welche Art von Glücksspielen riskant sind, um eine „Sucht“ auszulösen. Es gibt dort bestimmte, mehr oder weniger festgelegte Merkmale, an denen man ein gefährliches von einem nicht all zu gefährlichen Glücksspiel unterscheiden kann. Man spricht hier auch von Faktoren. Und je mehr Faktoren zutreffen und dazu ein Individuum diesen ungeschützt ausgesetzt wird, umso eher entwickelt sich schnell eine unkontrollierbare Sucht.
Faktor 1
Der schnelle Ablauf eines Spiels. Je schneller ein Ereignis oder ein Ablauf, desto höher der Nervenkitzel. Lootboxen lassen sich sehr schnell öffnen und es dauert kaum länger, als ein Spin am Spielautomat. So gerät der Überblick über Verluste schnell aus dem Blickfeld. Denn der mögliche Gewinn liegt keine paar Sekunden entfernt. Schnell noch eine Lootbox öffnen, ach noch eine. Und schon ist man gefangen. Alleine so locken die Publisher dir vielleicht ein paar Euros, vielleicht sogar mehrere hundert Euro aus der Tasche. Ein Gegenbeispiel wäre Poker. Eine Partie kann Stunden, wenn nicht Tage dauern. Je nach Grad der Professionalität.
Faktor 2
Kennst du das, wenn du zum Beispiel (nehmen wir mal Rocket League) eine Crate öffnest, und du sooooo knapp an einem super seltenen Gegenstand vorbeigerauscht bist? Das Problem an der Sache, wir nehmen häufig solche Verluste nur als „Fast-Gewinn“ wahr. Es war ja schließlich knapp, oder? Also gleich nochmal auf ein Neues. Jetzt muss es ja was werden… auch so locken dich die Publisher in die Falle.
Faktor 3
Und vor allem der Spieleinsatz ist entscheidend. Wir haben keinen Überblick darüber, wie viel Geld wir schon in unsere Lootboxen-Öffnerei eingesetzt haben. Wie denn auch. Es wird uns schließlich nirgendswo angezeigt. Schnell werden aus 5 € dann mal 50 €. Und darauf hoffen auch die Publisher.
Faktor 4
Die Verbindung des allgemeinen Interesses an Gaming. Wird Glücksspiel mit einer Freizeitbeschäftigung verbunden, so kann das schnell zu einer Verharmlosung des Glücksspiels führen. Und damit das noch nicht genug ist, steigert das eigene Interesse den Reiz an weiteren Öffnungen von Lootboxen. Dies macht Lootboxen besonders gefährlich, da sie nicht wie ein verrotteter Spielautomat im Dönerladen rüberkommen. Sondern sich praktisch deinem Hobby ergänzen.
Faktor 5
Eine Lootbox zu öffnen wirkt fast schon spektakulär. Wie ein Feuerwerk werden sie bei Overwatch aus der Kiste herausgeschleudert, mit Farbeffekten und Sounds. Zu Events wird es noch besser. Dann sieht es nicht nur aus wie ein Feuerwerk. Es ist ein Feuerwerk… des Verführens. Deine Preise liegen dann da, eine „Helden“-Melodie wird abgespielt und die Items lassen sich direkt begutachten. Toll, direkt die Nächste.
Genau so auch bei Battlefront 2. Die Kiste wird regelrecht aufgesprengt, die „Karten“ fliegen aus dem frisch geknackten Tresor und man kann sie sogar selbst „enthüllen“. Die Einbeziehung des Spielers in das Spiel, wenn auch nur marginal und nicht in Form von „Risiko-Leitern“ und Co., ist gegeben. Dazu sehen diese Hologramme auch soooo cool aus.
Wir kennen keine realen Gewinnchancen, wir verlieren den Überblick über den Einsatz, der Ablauf zwischen Öffnen und Ziehung des Gewinnes bis zur Möglichkeit, die nächste Lootbox zu öffnen, sind teils nur Sekunden. Und dazu kommen häufig „Spin“-Varianten, die noch die spontanen, impulsiven Suchtattacken fördern. Daraus muss nicht einmal eine richtige Sucht entstehen. Es ist der Wille, sich von den Spielern abzuheben mit einem bestimmten Gegenstand, gepaart mit den Glücksspielmechaniken der Lootboxen. Da fließen schnell mehrere hundert Euro.
Dabei ist es irrelevant, ob du die Items am Ende gegen „echtes“ Geld eintauschen kannst oder nicht. Einzig der Wunsch, nach einen „legendären“ Item reicht oft aus, um Unsummen auszugeben. Und erst recht, wenn man einen Vorteil im Spiel erhalten kann. Ab wann eine Summe eine „Unsumme“ ist, hängt dabei auch ganz von den finanziellen Mitteln ab.
Die Entwickler tricksen bewusst hinterlistig unser Gehirn aus, einerseits mit den erwähnten Faktoren. Aber dazu kommt, dass wir wissen, es gibt in dieser Box etwas ganz Tolles. Und wir wollen genau DAS haben. Und dadurch wird unbewusst der Drang nach diesem Item gesteigert und wir werden zum Kaufen bewegt. Dass die Gewinnchance deutlich geringer ist, als wir vielleicht annehmen, spielt keine Rolle. Die perfekte Manipulation, angetrieben durch die unerbittliche Gier nach mehr Geld.
Und seien wir mal ehrlich, würdet ihr für eine Handvoll Skins bei Overwatch 20 € ausgeben, wenn man sie einzeln kaufen könnte? Sie verlieren den Anschein der Rarität, wenn jeder sie „einfach“ haben könnte.
Maßnahmen ergreifen
Doch was hilft gegen Lootboxen? Und damit wären wir wieder zurück bei dem Thema Bevormundung. Jetzt, wo wir uns das System der Lootboxen etwas genauer angeschaut haben, kann man auch sicher sagen, dass zumindest etwas passieren muss. Gerade in Bezug auf Jugendliche, die viel zu einfach zu manipulieren sind. Doch ein Verbot aller Videospiele mit solchen Mechaniken ist sicher nicht die Lösung. Möchte man dies tun, dann würde sich der Staat nicht nur einen Milliardenmarkt (2,13 Mrd. Umsatz im Jahr 2016 nur durch Videospiele) kaputtmachen. Denn damit einhergehend folgen auch Steuern… dazu könnte man der Medienanstalt, die ein Verbot anstrebt, ebenfalls Zensur vorwerfen. Dazu könnte das Argument entgegengebracht werden, warum Glücksspiele überhaupt staatlich anerkannt und ausgeübt wird (Lotto 6 aus 49 als Beispiel).
Denn Entwickler werden kaum nur für diesen einen Markt die Lootboxen aus dem Spiel entfernen. Denn dann würde auch die Spielerschaft in anderen Ländern Sturm laufen, warum die Deutschen keine Lootboxen ertragen müssen, sie aber schon. Also würde einer Firma wie EA nichts anderes übrig bleiben, als den Verkauf dieser Spiele, also fast allen Spielen, zu stoppen. Und auch nie wieder anzubieten. Eine Zwickmühle. Man sollte viel eher Spiele, die solche Mechaniken anbieten, viel stärker reglementieren. Unter Aufsicht der Glücksspielkommissionen stellen. Wer mit den Süchten anderer Menschen Geld verdienen will, muss sich eben wie Online-Casinos und Sportwetten-Anbieter auch kontrollieren lassen. Doch an einem Automaten kommt ein pubertierender Jugendlicher deutlich schwerer ran, als an ein Computerspiel. Denn Casinos fordern den Altersnachweis. Zurecht.
Es wäre also eine denkbare Alternative, bei Spielen mit Lootboxen, einen Altersnachweis zu fordern. Dies wäre zumindest ein kleiner Schutz. Zusammen mit der Reglementierung einer Glücksspielkommission wissen wir dann auch, ob wir nicht mit bestimmten Gewinnwahrscheinlichkeiten einfach abgezockt werden. Oder unlautere Mittel der Beeinflussung, Bewerbung und andere Techniken angewandt werden, um uns, die Kinder und Jugendliche und potentielle „Whales“ dazu zu bewegen, die Lootboxen zu kaufen. Ich muss zugeben, dass wahrscheinlich nichts wirklich ganz hilft und keine Lösung perfekt ist. Dazu müsste aber auch nicht nur ein Land, sondern ganze Zusammenschlüsse dies befassen. Also zum Beispiel EU-weit. Und andere, große Nationen wie Amerika würden dann wahrscheinlich mitziehen. Eine internationale Lösung muss gefunden werden. Zum Schutze aller Gamer. Denn nur dann bleibt den großen Studios nichts Anderes übrig, als ihre Praktiken zu überdenken.
Am wichtigsten ist aber, dass Eltern sich aufklären lassen über die Gefahren, die sie ihren Kindern in Bezug auf Glücksspiel aussetzen und hier aufklären. Um den Eltern zu helfen, könnten die Entwickler auch einen Modus für Jugendliche implementieren, die das Kaufen von Lootboxen unterbindet, welchen die Eltern über das Internet aktivieren. Eben wie auch in World of Warcraft, wo man den Zugang zum Shop sperren lassen kann, die Zeit beschränken oder sogar das Chatten mit Spielern verbieten kann.
Am Ende lässt sich nur sagen, dass ich nichts gegen Glücksspiel habe. Selten und bewusst gespielt macht es sogar Spaß. Und gerne soll man auch mit Lootboxen Spaß haben. Wenn sich die Spielerschaft damit zufriedengibt, dass sie sich bei einem Vollpreistitel, also 70 €, in Zukunft nur auf den Zufall verlassen können, gute und/oder schicke Items zu erhalten. Na dann. Schwimme ich diesen Strom mit. Aber zockt nicht ahnungslose Menschen ab, liebe Entwickler und Publisher.