„I’m a Wanderer. I’m a Wanderer.“ So oder so ähnlich schallt es durch das Ödland von Fallout 4, wenn wir uns wieder auf den Weg durch das postapokalyptische Gebiet machen und dabei jede Menge merkwürdige Kreaturen erblicken und Aufgaben für die verschiedensten Personen erledigen. Wir haben uns den Titel mal etwas genauer angeschaut und getestet.
Sieben Jahre nach dem letzten Atomschlag in Fallout 3 ist es endlich so weit. Fallout 4 ist erschienen! Endlich darf sich wieder in die radioaktiv verseuchten Gebiete gestürzt werden und RAD-Kakerlaken warten nur darauf, von euch zermatscht zu werden. Gebiete wollen erkundet, Nebenaufgaben erledigt und Loot gefunden werden. Wie sich der neue Titel des Franchises so spielt und wie gut er wirklich ist, erfahrt ihr in unserer Review.
Story
Die Geschichte in Fallout 4 beginnt mit einem ganz gewöhnlichen Tag im Leben einer kleinen Familie im Jahre 2077. Als Mann oder Frau – das bleibt jedem selbst überlassen – verbringen wir den Morgen mit unserem Partner und unserem kleinen Sohn Shaun und können dabei sogar tatsächlich auch Wörter zu Stande bringen, was in den vorangegangenen Ablegern bisher nie der Fall war. Während unser mechanischer Roboter Mr. Handy das Essen zubereitet, klingelt mal wieder irgendein Vertreter vom Unternehmen Vault-Tec an der Tür, um uns einen Platz für eine Vault anzubieten. Diesmal entscheiden wir uns jedoch dafür, was auch gerade noch rechtzeitig geschieht, denn kurze Zeit später scheint die Welt vor ihrem atomaren Tod zu stehen.
Gemeinsam mit unserer Familie flüchten wir nach draußen zu Vault 111 und damit vorbei an all die Menschen, die sich nicht für einen Platz in dem Sicherheitsraum registriert haben. In letzter Sekunde schaffen wir es, die Vault zu betreten und uns in Sicherheit zu bringen. Wie naiv wir doch gewesen sind, dass wir glaubten, dieser Ort würde uns wirklich den Schutz bieten, den wir uns erhofft haben.
Irgendwann verlassen wir die Vault wieder. Unser kleiner Sohn Shaun wurde entführt und unsere Aufgabe ist es nun, ihn zu finden. Die Story zeigt damit eine gewisse Ähnlichkeit zu Fallout 3 auf, denn auch dort hatten wir die Aufgabe, jemanden zu finden, der die Vault verlassen hat. Der einzige Unterschied zu dem vorherigen Ableger ist jedoch, dass es unser Vater gewesen ist und dieser freiwillig geflüchtet ist.
All zu lange halten wir uns jedoch nicht mit dieser Aufgabe auf, denn wie man es aus anderen Bethesda-Titeln kennt ist die Map überladen mit zahlreichen Nebenquests. Die Quests sind von den Zielen her zwar meistens verschieden, wiederholen sich aber immer vom Aufbau her. In Gebiet A nehmen wir die Quest an, erledigen die Aufgabe in Gebiet B und müssen dann wieder zurück nach Gebiet A und die Belohnung abholen. Was sich zwar so ziemlich monoton anhört, fällt beim Spielen aber gar nicht auf, da es so viele verschiedene Gebiete gibt, die man entdecken kann. Meistens nimmt man sich ein Missionsziel vor, endet aber letzten Endes hundert Meter weiter in einem Dungeon , das natürlich erkundet werden will. So vergehen viele Stunden, in denen man sich denkt „Nur noch 10 Minuten, dann mach ich mal eine Pause“. Die Belohnungen für Missionen reichen von wichtigen Erfahrungspunkten bis hin zu besonderen oder legendären Waffen. Es lohnt sich also!
Die meiste Zeit investieren wir jedoch in das Bauen… Oh ja, das Bauen… Darauf kommen wir später noch genauer zu sprechen. Fakt ist jedoch, dass uns die Story nicht so fesselt, als dass wir den Drang danach verspüren, verzweifelt nach unserem Sohn zu suchen. Dafür gibt es einfach viel zu viele andere Dinge zu erledigen.
Gameplay
meine Hand.
Das Gameplay lässt sich eigentlich mit der Bezeichnung „Fallout-typisch“ zusammenfassen und beschreiben. Wobei die Steuerung an manchen Punkten doch sehr gewöhnungsbedürftig ist und es nicht selten vorgekommen ist, dass uns bei längeren Sessions mindestens eine Hand wehgetan hat.
Abbrechen mit Tab, Sachen verwerten mit R und Enter, Favoriten mit F und einer Zahl ausrüsten und Dinge bauen mit Maus, W, A, S, D und E. Da kommt es manchmal vor, dass man einen Knoten in den Fingern hat und sich das eine oder andere Mal verklickt. Vor allem hier zeigt sich, dass doch an einigen Stellen ein Controller besser dafür geeignet wäre, um Fallout 4 zu spielen.
Betrachtet man das Spiel aber nüchtern und vom Umfang und den Möglichkeiten her, kann man einiges Positives sagen. Es gibt fast an jeder Ecke etwas zu entdecken. Auch kleine Broschüren oder Comics kann man finden, die einem einen permanenten Bonus auf eine gewisse Eigenschaft geben. In Lunchboxen, bekannt aus Fallout Shelter, befinden sich mit Glück weitere wertvolle und seltene Gegenstände. Nahezu jedes kleine Item kann als Loot mitgenommen werden und nicht selten trifft man auf eine Gruppe von Feinden – ob Raidern, Tiere oder sonstige Gegner, die ebenfalls allesamt mit Sachen bestückt sind. Besonders groß ist die Beute bei legendären Gegnern, die verstreut auf der Karte zu finden sind. Wer es ganz einfach haben möchte, kann legendäre Gegenstände auch bei Händlern erwerben, aber Vorsicht! Die Items werden euch nicht hinterher geschmissen und kosten einiges an Kronkoren!
Neben dem Erkunden bietet sich außerdem die Möglichkeit an, eigene Basen zu errichten, unsere Waffen zu modifizieren und Essen zu kochen. Langweilig wird es dementsprechend sicherlich nicht in dem Spiel.
Wie auch in den Vorgängern spielt das Hacken und Knacken von Schlössern und Terminals eine wichtige Rolle. Sind die Fähigkeiten weit genug ausgebaut, ist es einfacher den nächsten Tresor zu öffnen, um sich die dortigen Gegenstände abzugreifen. So etwas ist auch definitiv ratsam, denn vor allem hier findet man häufig Munition und Medizin.
Haben wir ein Terminal geknackt, können wir beispielsweise Türen zu anderen Räumen öffnen. In vielen Fällen dienen diese Computer jedoch nur dazu, um sich mit Informationen zu bestimmten Personen zu versorgen und das ein oder andere Minispiel zu ergattern, was man dann schließlich auch auf seinem Pipboy spielen kann. Auch diese kleinen Gimmicks zeugen von einer langen Spielzeit und -lust und der Liebe zum Detail.
Begleiter
Segen.
Relativ früh im Spiel finden wir einen Hund, den wir fortan auf unsere Streifzüge durch das Ödland von Boston als Begleiter mitnehmen können. Neben dem Hund können wir aber auch noch richtige Personen, den Roboter Mr. Codsworth oder weitere Personen, die wir im Laufe unseres Abenteuers treffen, mitnehmen.
Was bei den Begleitern besonders positiv ist, dass sie ein eigenes Inventar haben. Ist unser Rucksack bis obenhin vollgepackt, können wir ein paar Gegenstände verlagern und nachher, wenn wir sie brauchen, wieder vom Gepäck des Begleiters nehmen. Wenn wir finden, dass unser Begleiter eine bessere Waffe verdient, können wir sie selbstverständlich austauschen – über das Handelsfenster. Der Hund kann beispielsweise mit einer Rüstung, einem Halstuch und einem Maulkorb ausgestattet werden, sofern wir die Sachen finden oder kaufen.
Was die Idee des Begleiters und die Hilfe eben dieses angeht, ist die Idee wirklich hervorragend umgesetzt. Mit einem speziellen Perk können wir außerdem später verhindern, dass wir unserem Helferlein ungewollt Schaden durch Schüsse oder Nahkampfschläge zufügen. Ohne dieses Perk können wir ihnen also schnell dazu verhelfen, dass sie sich am Boden vor Schmerzen krümmen. Wir müssen uns allerdings keinerlei Gedanken darüber machen, ob unser Begleiter gleich regungslos am Boden liegt, denn sie können nicht sterben.
Doch jede Eigenschaft hat auch etwas Schlechtes. Eine Sache, die fortlaufend negativ an unseren Begleitern auffällt, ist der Weg, den eben diese einschlagen. Nicht selten kommt es einmal vor, dass sie uns im Weg stehen und uns daran hindern, weiterzugehen. Besonders nervig wird es in Gebäuden, wenn sie uns den Weg in die unterschiedlichen Räume versperren. Da hilft es meistens nur noch, unseren Gefährten vorher dazu aufzufordern, an Ort und Stelle stehen zu bleiben und uns in Ruhe zu lassen. Und wenn ihr sie dann einmal braucht, um dort ein paar Gegenstände ins Inventar zu legen, laufen sie vor euch weg und kommen entweder gar nicht mehr freiwillig zu euch zurück oder ihr müsst sie umständlich herumkommandieren, bis sie euch nah genug stehen. Das hätte man besser machen können!
Fallout Workshop
Ein neues Feature ist das Bauen von Basen, was allgemein als Fallout Workshop bezeichnet wird. Wir können zwischen verschiedenen Unterpunkten entscheiden und uns entweder vorgefertigte Holz- und Metallhäuser in unser Gebiet pflanzen oder selbst kreativ sein und somit große, weitläufige und vielleicht auch zum Teil epische Bauten – ganz im Minecraft-Stil – errichten. Möbel, Dekorationen, Strom, Licht, Ressourcen, Marktplätze und Stände können von uns ebenfalls in einer jeweils eigenen Kategorie ausgewählt und gebaut werden. Für Letztere brauchen wir allerdings ein spezielles Perk, das wir erst leveln müssen.
Im Verlauf des Spiels erhalten wir immer weitere, kleine Siedlungen, in denen wir unserer kreativen Ader freien Lauf lassen können. Neben unserer – mehr oder weniger – Hauptsiedlung namens Sanctuary Hills können wir also auch in anderen Gebieten bauen. Wir müssen in jeder Farm oder Siedlung, in denen wir die Herrschaft über die Werkstatt haben, auf gewisse Forderungen der Bewohner eingehen. Jeder braucht ein Bett, Nahrung und sauberes Wasser müssen gegeben sein und besonders wichtig ist der Faktor Schutz. Haben wir keinen Schutz, werden unsere Siedlungen schnell überfallen.
Das Bauen macht durchaus viel Spaß und man versinkt teilweise förmlich darin, neue Gebäude zu erschaffen und der Siedlung weiteren Schutz zu verschaffen. Jedoch wird einem schnell bewusst, dass man sich nicht gemütlich in seiner Basis austoben kann und sich um sonst nichts kümmern muss. Spätestens nach der fünften freigeschalteten und/oder entdeckten Werkstatt fällt uns die Möglichkeit des Workshops mehr negativ als positiv auf. Hier hätte man seitens Bethesda einfach den Fokus auf wirkliche Siedlung und/oder nur auf eine Siedlung beschränken können. Was ebenfalls ein Manko ist, es finden maximal 21 Personen Platz in einem Gebiet und es gibt eine maximale Anzahl von Gegenständen, die gebaut werden dürfen. Ist eine gewisse Größe erreicht, lassen sich keine weiteren Gegenstände oder Gebäude mehr bauen – schade!
Animationen und Grafik
Manche Bewegungen, die von NPCs ausgeführt werden, also ihre Animationen, können wir als Spieler selbst nicht ausführen. Beispielsweise können feindliche NPCs sich an Ecken von Wänden, Pfeilern oder sonstigen Deckungen anlehnen und um diese herum schauen oder zielend zur Seite lehnen. Wirklich schade, dass wir das nicht auch können.
Was ist das?
Ein Aspekt, der jedoch besonders in den Vordergrund tritt, sind die Emotionen der NPCs. Befindet man sich mit ihnen in einem Gespräch, blicken einen leere und emotionslose Augen an. Zwar können wir hören, dass unser Gegenüber lacht, weint, schnieft oder sonst irgendwelche Laute von sich gibt, aber das Gesicht bringt dazu keine passenden Bewegungen herüber. Das ist mehr als nur schade und verschenktes Potenzial. Da fehlt definitiv etwas mehr Liebe und Leben, damit wir das Gefühl kriegen können, die Person uns gegenüber atmet wirklich und ist keine wandelnde Fata Morgana.
Wie sieht es allerdings mit der ständig kritisierten Grafik in Fallout 4 aus? Im ersten Trailer konnte man sich bereits einen kleinen Eindruck verschaffen, wie das Spiel aussehen wird und es hat nicht wirklich viele Leute überzeugt. Im fertigen Spiel hat sich nicht sonderlich viel geändert und gerade auf Ultra-Settings sollte man erwarten, dass es im Jahre 2015 etwas Ansehnliches gibt. Wandern wir mit unserem Auge jedoch explizit auf die Texturen, anstatt das Gesamtbild zu betrachten, fallen matschige und pixelige Texturen auf. Hier hätte Bethesda doch noch deutlich Luft nach oben gehabt.
An dieser Stelle müssen wir jedoch fairerweise auch erwähnen, dass sich Fallout 4 selbst grafiktechnisch im Vergleich zu seinen Vorgängern weiterentwickelt hat. Das Spiel weist definitiv Fortschritte auf, die in die richtige Richtung gehen. Mal abgesehen davon, dass Bethesda mit seinen Titel selten einmal neue Maßstäbe in Sachen Grafik gesetzt hat. Dieser Punkt tröstet uns ein wenig darüber hinweg, dass wir in Fallout 4 keine atemberaubenden Texturen erleben.
Das Setting für Fallout 4 fällt etwas anders aus, als in den vorherigen Teilen, denn Fakt ist, dass man sich natürlich zunächst daran gewöhnen muss, wie hell das neue Setting um Boston eigentlich ist. Taucht man jedoch das erste Mal aus Vault 111 hervor, offenbart sich einem ein wunderbarer Blick auf die Umgebung. Ziemlich detailreich wurden die Bäume, zerstörten Gebäude und anderen Elemente errichtet und ausgestattet. Die Licht- und Schattenspiele tragen zusätzlich dazu bei uns in eine atmosphärische Welt zu entführen. Das Setting hat uns als Gesamtbild einfach überzeugt.
Sound
Neben dem Setting hat uns aber noch eine andere Sache ziemlich in den Bann gezogen: der Sound. Ganz speziell ist es die Musik, die wir hören, wenn wir das erste Mal auf die Überreste der vergangenen Welt stoßen oder einfach durch das verseuchte Wasteland streifen. Wer bereits einen Rollenspiel-Titel von Bethesda gezockt hat, sollte auch nicht allzu überrascht darüber sein, wie gut die Entwickler in diesem Punkt eigentlich sein können. Die Melodien tragen jedenfalls ziemlich überzeugend dazu bei, die Atmosphäre zu unterstreichen und auch einmal inne zu halten, um den Klängen zu lauschen und dabei in die Ferne zu blicken.
Leider fällt die Musik im Spiel teilweise so laut aus, dass wir Gegner erst zu spät entdecken oder Dialoge kaum noch verstehen. Was allerdings ziemlich witzig ist: Wenn ihr den klassischen Radiosender aktiviert und neben euch kleine Atombomben explodieren, bekommt ihr einen herrlichen Kontrast zu spüren.
Fazit
„Fallout 4 lässt mich ratlos und rastlos vor meinem PC – auf der einen Seite nerven mich Bugs, dumme KI, langweilige Quests und umständliches Basenbauen; auf der anderen Seite habe ich jetzt seit Release schon fast 60 Spielstunden gesammelt, das Spiel fesselt mich einfach mit seinen zahlreichen Landschaften und großartigen Ausblicken. Die auf den ersten Blick kleine Map wird durch die vielen verschiedenen Orte weit vielseitiger als beispielsweise die Welt von Fallout 3 oder New Vegas. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber in Fallout 4 steckt zu viel Fallout. Zu gleich sind das Gameplay, die Grafik, die Quests – von einem Spiel in 2015 hätte ich mir so viel mehr gewünscht. Und doch bleibt die Frage: Wie viele Stunden müsste ein Tag dann für so ein Spiel haben? Fallout 4 ist großartig schlecht. Großartig und schlecht. Ein Bethesda-Titel durch und durch.“
„Die Aussage von Bethesda, dass man die Grafik als nicht wichtig erachtet, da der Fokus auf dem Entdecken und dem Spiel an sich liegt, ist auf der einen Seite nachvollziehbar. Auf der anderen Seite aber befinden wir uns um Jahr 2015. Statt matschige Texturen anno 2000, hätte man auch gerne HD-Texturen nehmen dürfen, die wenigstens etwas hermachen. An sich ist Fallout 4 ein tolles Spiel, dass dank seines Umfangs auch zu fesseln weiß. Andererseits ist das Feature des Bauens übermäßig und künstlich in die Länge gezogen. Quests und Dialoge sind eintönig, die Story ist nicht nur unlogisch, sondern wirkt auch ein bisschen als letzte Lösung, die schnell noch in das Spiel integriert werden musste. Nervige Bugs, schlechte KI, plastische Gesichter und Emotionslosigkeit trüben das Spielgeschehen und die sonst gute Atmosphäre aber drastisch.“
„Fallout 4 hat eine große Fangemeinde hinter sich stehen, was den Hype und die hohen Erwartungen durchaus verständlich macht. Das Spiel schafft es auch, im guten alten Fallout-Stil die Wünsche eines ansprechenden Settings zu erfüllen und genau die Klänge zu produzieren, die die Rollenspiele von Bethesda ausmachen. Obwohl Fallout nicht dafür berühmt geworden ist, mit einer besonders tollen Grafik zu strotzen, sind die Ergebnisse mit den matschigen Texturen und emotionslosen Gesichtern nicht zufriedenstellend. Es ist schade, dass Bethesda an dieser Stelle so viel Potenzial verschenkt hat, wo es doch in anderen Belangen so viel Energie investiert hat. Wer jedoch von solchen Dingen absehen kann, wird mit Fallout 4 voll und ganz zufrieden sein. Der Spaß am Spielen ist definitiv gegeben.“