Nach einem Jahr Pause schenkt uns Ubisoft mit Assassin’s Creed Origins einen neuen Ableger der etwas eingeschlafenen Assassin’s Creed-Serie.
Assassin’s Creed Origins erscheint nach einem Jahr kreativer Pause. Diese Pausen haben schon vielen zu gelungenen Neustarts verholfen. Egal, ob Britney Spears oder Assassin’s Creed. Wobei Letzteres mit Sicherheit das bessere Comeback hat. Manche Dinge brauchen eben etwas Zeit, bis sie ausgereift sind, denn in diesem Jahr verschlägt es uns ins antike Ägypten. In eine Zeit, in der das Land unter dem Einfluss Griechenlands stand. Alexander der Große hat das Land erobert und die Linie der Pharaonen ist so langsam vorbei. Doch Kleopatra und die Römer haben etwas dagegen. Was kann der neueste Ableger der Assassinen-Reihe?
Aus Siwa durch das Land
Wie man es sich aus der Überschrift schon ableiten kann, starten wir in Assassin’s Creed Origins in einem kleinen Dorf namens Siwa. Dort gerät unser Protagonist Bayek in Konflikte mit der federführenden Armee der Ptolemäer. Das ist bereits irgendwie abzusehen, denn wir sind der letzte lebende Medjai, der Beschützer des Volkes. Seit Generationen ist unsere Familie diesem Beruf nachgegangen und auch wir führen die Tradition fort. Schon kurz nach dem Spielstart wird klar, dass Bayek auf Rache sinnt. Einerseits für sich, andererseits aber natürlich auch für das unterdrückte ägyptische Volk. Die Leute befinden sich nämlich unter den Fittichen eines mysteriösen Geheimbundes: Dem Rat der Ältesten. Dieser ist für unzählige Verbrechen verantwortlich und unterdrückt, wie erwähnt, das Volk. Und so starten wir in das typische Assassin’s Creed-Ziel: Köpfe müssen rollen!
Dabei spielen wir zwei Charaktere, die im Fokus stehen, ähnlich wie bei Syndicate. Mit dem Unterschied, dass wir die Charaktere nicht einfach so wechseln können. Manche Geschichten werden aus der Perspektive von Bayek’s Frau, Aya, erzählt. Der Großteil der Story gehört allerdings unserem doch sympathischen männlichen Kollegen. Hier sei erwähnt, dass er nicht an das Schlitzohr Ezio herankommt, aber doch seine Momente hat. Dabei zieht es ihn quer durch Ägypten, vorbei an den dort nicht so alten Pyramiden, vielen Oasen und durch längst vergangene Städte. Mit Historikern ließ man Städte wie Alexandria auferstehen. Neben dem frühen Bemerken, wer unsere Feinde sind, wird auch klar, was aus der Gegenwart und Abstergo geworden ist. Und zwar nur noch ein minimaler Teil des Spiels. Nur selten werden wir aus dem Spiel herausgeholt. Allerdings hätte man auch komplett auf die Gegenwart verzichten können, denn hier gibt es weder etwas Spannendes, noch etwas Sinnvolles zu erledigen.
Ein Gameplay-Segen
Im Tutorial zu Beginn des Spiels wird man in die wichtigste und vor allem beste Neuerung eingeführt: das Kampfsystem. Die Kämpfe hat man bei Ubisoft Montreal einmal komplett auf Links und zurück gedreht. In den vorherigen Teilen reichte es aus, sich auf einen Gegner zu konzentrieren und den Rest größtenteils weg zu kontern. Nun übersteht man kaum einen Kampf, ohne getroffen zu werden. Bei mehreren Gegnern wird es auch schnell mal etwas heikel und die Gesundheit schwindet. Dabei gibt es viele verschiedene Gegnertypen und Arten des Kampfes. Schwer gepanzerte Gegner mit großem Schild sind schwerer zu überwinden, als einfache Fußsoldaten mit Schwert oder Bogen. Doch auch die typischen Meuchelmorde von hinten oder aus der Luft gibt es weiterhin. Lediglich die offenen Kämpfe sind merkbar schwerer geworden – sehr gut!
Entsprechend des Balancings hat man auch die Waffen umgekrempelt. Dabei bedient sich Assassin’s Creed Origins auch einigen Rollenspiel-Elementen. Zum Einen haben die Gegner eine gewisse Anzahl an Lebenspunkten, wie wir auch. Schläge verursachen entsprechend Schaden, können auch kritische Treffer verursachen und Schüsse oder Treffer auf den Kopf richten noch mehr Schaden an. Die Waffen sind dabei mit einem Stufen-System ausgerüstet worden. Man findet bei Gegnern oder in Truhen Waffen mit den Seltenheitsgraden Selten, Episch und Legendär. Dabei gibt es auch Fähigkeiten, die auf den Sachen liegen, beispielsweise Blutungs- oder Giftschaden. Auch gibt es viele verschiedene Varianten von Waffen. Bögen sind dabei nicht einfach Bögen, sondern unterscheiden sich in vier Varianten. Den ganz normalen, einen, bei dem Pfeile blitzschnell geschossen werden können, einen „Shotgun-Bogen“ und einen für längere Distanzen. Ähnlich sieht es bei den Nahkampfwaffen aus.
Schwerter, Chapesh, Speere, Schilder, Zepter und so weiter stehen uns zur Verfügung. Dabei fühlt sich jede Variante auch merklich anders an. Mit Schwert und Schild ist man agiler und richtet schneller Schaden an. Mit einer schweren Keule muss man erst mal ausholen und ist so deutlich weniger mobil. Mit dem Schild können natürlich Pfeile aus Blickrichtung geblockt werden und auch Ausweichen ist ein wichtiges Feature. Neben den Kämpfen steht noch etwas ganz anderes im Fokus: Das Crafting-System. Wir können uns zwar mit verschiedenen Gegenständen verstärken, aber nicht ausreichend. Denn wir haben noch Sachen, die wir craften müssen, um noch stärker zu werden. Einen Brustpanzer für unsere Gesundheit, die Armschiene für mehr Nahkampfschaden und ein paar weitere Gegenstände. Hierfür benötigen wir verschiedene Materialien wie Leder oder Erze. Dafür müssen wir auch ab und zu auf die Jagd gehen, um die nötigen Materialien zu ergattern. Alternativ können wir auch gefundene Ausrüstung zerlegen.
Der Fähigkeitenbaum in Assassin’s Creed Origins ist ausgereift. So muss man nicht erst vermeintliche Grundlagen erlernen, wie gleichzeitiges Reiten und Kämpfen oder die Fähigkeit Brandpfeile nutzen, die zugegebenermaßen nur an festen Punkten entzündet werden können. Aber man hat selbst am Anfang des Spiels nicht das Gefühl, als würde einem etwas extrem Wichtiges fehlen. Das hatte ich bei Mittelerde: Schatten des Krieges nicht. Dort kam mir Talion vor, als hätte er an einer Amnesie gelitten. Doch zurück nach Ägypten. Bayek kann sich mit den verschiedensten Fertigkeiten und Erweiterungen ausstatten lassen: Schlaf- oder Giftpfeile, Brandbomben, automatische Plünderung von Gegnern, Tiere zähmen oder eine Zeitlupe während man in der Luft mit dem Bogen zielt. Der Skilltree teilt sich dabei in Jäger, Krieger und Seher auf. Jeder Weg hat dabei seinen eigenen Fokus, lässt aber keine Wünsche offen.
Die riesige Spielwelt und ihre schier unendlichen Möglichkeiten trumpft auf. Wir haben knapp 30 Stunden Spielzeit in den ersten fünf bis sechs Gebieten verbracht und dort alles erledigt. Es gibt erneut Fragezeichen, hinter denen sich Feindes-Lager oder Schätze verbergen können, aber auch Tier-Nester. Ägypten ist ein sehr abwechslungsreiches Szenario, hier treffen Römer, Griechen und Ägypter aufeinander. Denn zu der Zeit stand das Land unter den Fittichen Griechenlands, da Alexander der Große das Land eroberte. So hat auch jeder seine ganz eigenen Probleme und Wehwehchen. Die Quests ähneln sich oft, indem wir jemanden aus einem Lager befreien und ein Stück tragen müssen oder eben typisch von A nach B laufen. Dennoch gibt es auch abwechslungsreichere Aufgaben. Manche davon verstricken sich in eine ganze Reihe und erzählen eine Geschichte. Man bemerkt zwar eine Eintönigkeit, allerdings wird es nicht langweilig. Durch Senu, unseren Adler, haben wir auch immer eine gute Übersicht über das Feld.
Da es sie auch hier gibt, müssen wir sie natürlich kurz thematisieren. Nur kurz, weil es nicht viel dazu zu sagen gibt. Ja, es gibt Lootboxen im Spiel beziehungsweise Mikrotransaktionen. Dazu sei aber sofort gesagt, dass man den Shop im Spiel zu keinem Zeitpunkt benötigt. Alles, wirklich alles kann man im Spiel erreichen und das sogar relativ flott. Für echtes Geld lassen sich eher nur Spielereien kaufen, wie ein Einhorn als Reittier. Auch die dortigen Waffen sind bei weitem nicht die besten im Spiel, die man im Verlauf des Titels kostenlos erhält. Truhen mit zufallsgeneriertem Inhalt lassen sich mit der Ingame-Währung kaufen. Im Prinzip ist der Shop komplett überflüssig und dient alleinig dem Zweck, dem ein oder anderen Spieler ein paar Euro aus der Tasche zu locken. Insgesamt ist das Freischaltsystem extrem fair und gebalanced.
Eine (tödlich) schöne Landschaft
Ägypten scheint so ziemlich das perfekte Setting zu sein, dass man für einen Neustart der Assassin’s Creed-Serie hätte wählen können. Die vielen verschiedenen Landschaften und wunderschönen Aussichten werden ihrem Zweck gerecht. Das kleine Dorf Siwa wirkt wie ein Dorf, die Leute scheinen sich zu kennen und alles ist etwas „gedrückter“, während man in Alexandria, einer der Städte des antiken Landes, viele Menschen umherlaufen sieht. Auch die Wachen sind präsenter. Dennoch ist die Stadt, genau wie das Dorf, einfach wunderschön. Grafisch hat man in Assassin’s Creed Origins einen weiten Sprung nach vorne getan und, dass die Städte oft am Wasser liegen, tun ihr Übriges. Doch es gibt weitaus mehr zu sehen, als nur die Orte. Um von einer Stadt zur nächsten zu gelangen, durchstreifen wir Wüsten, dichtere Wälder oder eher sumpfige Gebiete mit Flüssen. Da hier die Black Flag-Entwickler am Werk sind, gibt es natürlich auch Boote, die man bedienen kann.
Es kommt ein ähnliches Feeling auf, wie beim Hexer Geralt. Manchmal läuft man einfach zu Fuß die Strecken zur Aufgabe, weil die Umgebung fesselnd schön ist. Gerade zum Sonnenuntergang oder Aufgang bleibt man gerne mal stehen und schaut einfach in den virtuellen Himmel. Unterstützt wird das Ganze von einer gelungenen Soundkulisse. Meistens versteht man die Leute in seiner Umgebung, weil andere Sprache, nicht, aber oft kann man doch den ein oder anderen Dialog mitbekommen. Auch die Tiere führen ein Eigenleben, Raubtiere gehen auf die Jagd und generell zieht es die Tiere auch mal ans Wasser. Geräusche, Waffen, Synchro und Details sind sehr gut umgesetzt. Vor allem Letzteres. Das Team von Black Flag hat eine enorm hohe Detailverliebtheit an den Tag gelegt. So ziehen wir beispielsweise eine Ölspur hinter uns her, auch im Wasser, die sich sogar entzünden lässt, wenn wir uns zu nah an einem zerstörtem Ölfass aufhalten. Und so vieles mehr, das sich lohnt, gefunden zu werden. Großartig!
Fazit
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Der Protagonist von Assassin’s Creed Origins, Bayek, ist gut umgesetzt. Er wirkt manchmal vielleicht etwas forsch und zu sehr auf sich und seine Aufgabe konzentriert. Dennoch ist – und bleibt – er ein sympathisher Medjai, der den Bewohnern Ägyptens hilft. Dabei spielt es keine Rolle, ob Grieche oder Ägypter. Das komplett umgestellte Kampfsystem macht eine sehr gute Figur, trotz der etwas ungewohnten Steuerung. Hier liegt Schlagen beispielsweise auf R1, R2 / RB, RT. Aber man findet sich schnell rein und hat die Steuerung, die sonst größtenteils gleich geblieben ist, drin. Die Quests wiederholen sich zwar vom Aufbau des Öfteren, dennoch macht man sie gerne. Warum? Weil man herausfinden will, welche Geschichte sich hinter genau dem Ausrufezeichen verbirgt. Und vor allem, wie geht die Geschichte weiter? Hinzu kommt eine wirklich grandiose Open World, die nicht schöner hätte sein können. Seit The Witcher 3 lohnt es sich wirklich, jeden Winkel der Welt zu erkunden. Auch das Stehenbleiben und Genießen der Landschaft macht enorm Laune. Höher gelegene Aussichtspunkte tun dabei hier ihr Übriges. Hier und da gibt es vielleicht einen Hakler oder etwas, das einen kurz nervt, wirklich große Kritikpunkte gibt es aber nicht. Assassin’s Creed Origins ist nicht nur für Fans des Franchises, sondern für alle Fans von toll gestalteten offenen Spielwelten ein Muss. Der bisher beste Titel der Serie!