Quantic Dream bringen mit Beyond: Two Souls ein Spiel mit gleichem Prinzip wie ihr Erstlingswerk Heavy Rain an den Gaming-Tisch. Hat die Formel funktioniert? Können Film und Spiel interessant genug fusioniert werden, dass es sich lohnt Geld und Zeit zu investieren? Das alles in der Review:
Ich habe nie Heavy Rain gespielt. Leute mit denen ich gesprochen habe sagten immer: „Ja lame, da passiert nie was, du steuerst wie der aufs Klo geht. Spiels nicht.“ Da ich damals auch noch nicht im Besitz einer PS3 war hab ich auch nicht weiter daran gedacht. Aber anderes Jahr, anderes Spiel. Mit Beyond: Two Souls konnte ich nun endlich das Spielprinzip von Quantic Dreams erleben. Vom Ende dieses Spiels an werden der Gamer und der Filmliebhaber in mir im ewigen Konflikt sein wie dieses Spiel zu bewerten ist. Aber hier ist mein Versuch: Im Spiel geht es um Jodi, ein Mädchen welches man in verschiedenen Stadien ihres Lebens spielt. Immer bei ihr ist eine körperlose Existenz namens Aiden, welcher ihr ermöglicht Dinge zu sehen und zu machen, welche die Grenzen des Paranormalen überschreiten. Es gibt Geister-Begegnungen, eine dramatische Jagd und viel Action. All das wird mit QTEs erledigt, mit einer vereinzelten Schleich-Mission.
Grafik:
Die Grafik ist wunderschön. Die PS3 kommt hier an ihre absoluten Grenzen mit atemberaubenden Hintergründen mit Schnee, Feuer, einer Verfolgungsjagd auf dem Dach eines Zugs im strömenden Regen und großen amerikanischen Canyons. Die Gesichtsanimationen sind klasse und übertragen jede Emotion perfekt. Die Kamerawinkel sind sehr an großen Hollywood-Filmen orientiert und bringen nochmal einiges zur allgemeinen Stimmung. Einzig einige Low-Res Texturen hier und da (z.B. bei Haaren), kurzen Lade-Freezes oder etwas Textur Pop-In verringern die Qualität der grafischen Leistung des Spiels.
Gameplay:
Es werden einige Leute schon bei diesem Begriff schreiend raus rennen: QTE. Ja, der Großteil des Spiels besteht aus eben diesen Events. Meist steuert man so Jodis Bewegungen wie z.B. in einem Boxkampf mit einem Gegner mit dem rechten Stick (immer in eine bestimmte Richtung). Diese Richtung wird aber nur von der Figur angedeutet, sie steht nicht unten am Bildschirmrand. Anders ist das mit dem Öffnen von Türen etc. wo man einen Button wiederholt drücken oder halten muss. Ein Bruch von diesem Spielprinzip sind die Abschnitte in denen man Aiden übernimmt. Darin kann man Wachen ausschalten oder zumindest ablenken und Jodi neue Wege durch Zerstören von Fensterscheiben und anderem eröffnen. Als geisterhafte Gestalt herumzuschweben klingt erstmal klasse, hat aber auch Grenzen. Durch die Verbindung mit Jodi kann Aiden nie eine gewisse Distanz zurücklegen und hat auch nur einige spezifische Gegenstände mit denen er interagieren kann. Aber die gleiche Szene von Jodi aus Aidens Sicht zu sehen bringt einen sehr hinein ins Geschehen. Ab und zu gibt es auch eine Schleich-Mission, welche auch da etwas anderes bietet, auch wenn diese recht einfach nach einiger Zeit etwas langatmig wird. In Dialogen kann man seine Antworten wählen und so Szenen ermöglichen, die bei einer anderen Antwort nicht passiert wären. Alles in allem kam mir das Gameplay selbst zu einfach vor, da ich nie auch nur Gefahr lief zu scheitern.
Hier ist der große Pluspunkt für dieses Spiel. Die Story ist klasse erzählt mit den sehr überzeugenden Auftritten von Ellen Page als Jodi und Willem Dafoe als ihr Therapeut Nathan. Der Spieler springt am Zeitstrang von Jodis Leben vor und zurück, erlebt die ersten Kontakte mit Nathan und Erlebnisse mit Aiden, Jodis Teenie-Jahre in ihrer Therapie oder auch die spätere CIA Ausbildung von Jodi. Die Szene mit den Obdachlosen war für mich besonders emotional und toll inszeniert. Immer mehr und mehr beantwortet das Spiel die Fragen, die sich einem stellen: Wer ist Aiden? Wie begann alles? Was gibt es auf der anderen Seite? Für mich war der 3. Akt ein wenig gerusht. Viele Fragen stellten sich, nur um direkt danach beantwortet zu werden (wie die Motivation von Nathan). Einige Twists waren recht vorhersehbar und einige Szenen unpassend zum Rest der Erfahrung. Aber dieser Rest ist hoch-emotional, interessant und einfach Schönes zu erleben. Man folgt Jodi durch ihre Qualen aber auch guten Momente und fühlt jede Sekunde mit. Die Story ist ganz klar die Stärke und auch der Fokus von Beyond: Two Souls.
Fazit:
Jetzt kommt ein Satz der so standard ist, dass ich ihn selbst hasse: Es wird nicht jedem gefallen. Nichts wird jedem gefallen, aber folgendes ergibt sich bei Beyond: Two Souls. Es ist kein Spiel. Wer die Action-Szene im Trailer sieht und denkt: „Oh yeah, fette Sache“ wird nicht nur enttäuscht sein, er wird jede Art von Liebe zu diesem Spiel hassen. Es ist ein interaktiver Film und das meine ich absolut im wörtlichen Sinn. Man INTERAGIERT mit dem Film, entscheidet selbst die Wege, muss schnell schalten und anderen Leuten antworten und jeden Meter des Wegs durch das ewige Button-Pressen mit leiden. Für mich hat sich dadurch ein einzigartiges Erlebnis gegeben, da ich so viel näher an den Charakteren und der Story war, als wie ich es bei einem Film wäre. Der Cineast und der Gamer in mir haben zwar wegen der Bewertung einen ewigen Streitpunkt gefunden, aber auch einen tollen Kompromiss an Gameplay und Story. Für jeden der etwas Neues zwischen Game und Film erleben will oder schon mit Heavy Rain erlebt hat ist Beyond: Two Souls wärmstens zu empfehlen. Da es aber doch ein Spiel für die PS3 ist, muss ich einige Punkte für das ein wenig zu lasche Gameplay abziehen. Ich habe 10,5 Stunden für den ersten Playthrough gebraucht, der zweite wird bestimmt nochmal 5-6 Stunden dran hängen. Selten hat mich ein Spiel so tief gepackt und mitgerissen, das verpasste Heavy Rain Erlebnis wird bald definitiv nachgeholt.