Talion und Celebrimbor stürzen sich in ihr zweites Abenteuer und was die Fortsetzung, Mittelerde: Schatten des Krieges drauf hat, erfahrt ihr hier.
Wer denkt, er kenne schon alles über Mittelerde, lernt bei Schatten des Krieges noch den ein oder anderen neuen Aspekt. Die sonst so grimmigen und schlecht gelaunten Orks und Uruk-Hai haben Humor – und normale Probleme. Sind sie unter sich, Scherzen sie über die Menschen oder lästern über Armee und Bosse. Man kann vieles aus dem Spiel herausholen, viele Kleinigkeiten. Doch kann das große Ganze überzeugen, oder bleibt der Titel hinter den Erwartungen?
Story & Figuren
Zeitlich spielen die Schatten des Krieges zwischen den Hobbit-Filmen und der Herr-der-Ringe-Trilogie. Zusammengefasst müssen wir uns der Armee von Sauron stellen und Mordor befreien. Gelingen soll uns das Ganze mit der Hilfe Celebrimbors, einem alten elbischen Ringschmied. Freundlicherweise stellt er uns eines der Schmuckstücke zur Verfügung. Die Geschichte ist besser umgesetzt als im Vorgänger, ein Meisterwerk darf man aber nicht erwarten. Dennoch treffen wir das ein oder andere bekannte Gesicht, leider sind manche Charaktere, auch neue, nicht ganz so gut umgesetzt.
Vor allem Kankra, eigentlich bekannt als riesige, furchteinflößende Spinne, kommt als sexy Frau daher. Lediglich in ein, zwei Sequenzen sehen wir die menschliche Schönheit in ihrer wahren, abscheulichen Gestalt. Es irritiert und wirkt komisch. Auch Talion bleibt blass, ähnlich wie andere Charaktere. Oft kann man Abläufe schon vorahnen. Auch wirkt der eigentliche Hauptdarsteller all zu oft nur als Nebenfigur. In den Gondor-Aufträgen, die sich durch das Spiel ziehen, erledigen wir fast die komplette Arbeit. Gedankt wird dem Protagonisten jedoch nicht, wenn er denn überhaupt in der End-Sequenz einer Mission auftaucht. Leider verblassen so Emotionen und Charaktere in einem Nichts.
Gameplay
Beim Spielen fallen keine großen Änderungen im Vergleich zum Vorgänger auf. Was später jedoch merkbar ist, ist, dass man nun Drachen auf seine Seite ziehen und diese sogar sehr effektiv nutzen kann. Der Kern dreht sich jedoch um das Nemesis-System und die Festungen, die es gilt einzunehmen. Dafür muss natürlich eine Armee aufgebaut werden, um sich dem Bösen entgegen zu stellen. Dies geschieht, wie bekannt, durch das Konfrontieren von gegnerischen Hauptmännern, um sie dann im Kampf zu brechen und zu „überreden“, sich auf unsere Seite zu stellen. Die Fähigkeit dazu schaltet sich aber erst nach einer gewissen Spielzeit frei und auch sonst hat Talion im Vergleich zu Mordors Schatten zu Beginn alles vergessen.
Dabei sind die Orks mit einer hohen Vielfalt ausgestattet. Bis uns ähnliche Namen begegnen oder ähnliches Aussehen der Charaktere, dauert es eine ganze Weile. Stichwort: Nemesis-System. Dies sorgt dafür, dass es immer neue Kombinationen gibt und auch für Überraschungen sorgt. Nicht selten kommt es vor, dass wir von einem Gegner mitten im Ablauf des Spiels überfallen werden. Auch können sich Brüder gegenseitig unterstützen oder die Leibwächter schützen ihre Bosse. Leider kann es auch vorkommen, dass man innerhalb kürzester Zeit fünf Mal gegen denselben Boss kämpft und ihn tötet. Denn auch das Wiederkehren von bereits getöteten Feinden ist möglich. Allerdings kommen die Überfälle oft zu sehr unpassenden Momenten, sodass sie sich störend auswirken können.
Die Kämpfe laufen dabei aber flüssig und man hat die Mechaniken, die man braucht, schnell drauf. Dennoch kommt es oft vor, dass es chaotisch wird. Gerade dann, wenn die Gegner ein Banner aufstellen. So verfallen die Gegner in Rage und ihr könnt kaum noch was machen, da die Angriffe auf euch regnen. Wollt ihr dann weglaufen, kann die Steuerung euch einen Strich durch die Rechnung machen. Denn: Rennen, Klettern, Ausweichen und Springen sind auf einer Taste und das Spiel entscheidet oftmals egoistisch, welche Aktion nun ausgeführt wird. So wird auch die ein oder andere Schleichpassage verbockt.
die Amnesie
Wie bereits weiter oben erwähnt hat unser Protagonist zu Beginn des Spiels alles vergessen, was er im Vorgänger schon konnte. Wir müssen uns also erst mühsam hochleveln und alle Fähigkeiten von Neuem freischalten. Manche Fähigkeiten und Verbesserungen können dabei nur durch das Abschließen bestimmter (Story-)Missionen erworben werden. Schade eigentlich, denn wirklich viel kam nicht dazu. Was jedoch neu ist, ist das Item-System. Wir können von Hauptmännern, Häuptlingen und Oberherrn der Orks, aber auch durch Sammelbares, neue Items finden. Ein neues Schwert, einen Dolch, Bogen, eine Rüstung, einen Umhang oder ein neuer Ring lassen sich dabei ausrüsten. Natürlich sind sie in verschiedene Seltenheitsgrade aufgeteilt. Normal, Selten, Episch und Legendär sind die Stufen.
Ab Selten gibt es Herausforderungen für die Gegenstände, die zusätzliche Boni freischalten. Ab Episch haben die Gegenstände einen Bonus, der durch die Herausforderung freigeschaltet wird und einen, der standardmäßig aktiv ist. Legendäre Gegenstände sind dabei natürlich die Besten und können mit den Herausforderungen auch in der Stufe steigen, sodass man einen Gegenstand, den man mit Level 8 erhalten halt, später noch nutzen kann. Durch das Lösen der Ithildin-Rätsel-Türen kommt man auch ohne schwierigen Kampf an ein legendäres Stück. Allerdings muss man für diese die Haedir-Türme befreien und anschließend in die nervigste Gameplay-Mechanik einsteigen. Denn mit den Türmen müssen wir Collectibles finden. Dabei besitzt man einen Röntgenblick und kann durch Berge hindurch in die Ferne Sachen erkennen, die man nicht sieht. Außerdem können auch nur bestimmte Sachen entdeckt werden, so passiert es des Öfteren, dass man Gegenstände direkt vor dem Turm nicht entdecken kann. Das Ganze ist äußerst nervig und hätte man um einiges besser lösen können.
Was man auch hätte viel besser lösen können, sind die Lootboxen. Es ist für viele schon der größte Kritikpunkt und ausschlaggebend, sich den Titel nicht zu kaufen. Dennoch ist es im Spiel gelandet und man muss darüber ein paar Worte verlieren. Schaut man sich das System an, wird klar, dass es Vorteile hat, Geld auszugeben. Beschäftigt man sich etwas mehr damit, kauft ein paar Lootboxen, die es auch für die Ingame-Währung gibt, erkennt man noch mehr. Denn spielen wir ohne Geld und Boxen, haben wir einen enormen Nachteil, vor allem in puncto Zeit. Aus dem Spiel heraus müssen wir Gegner bekämpfen und finden nicht all zu oft epische oder sogar legendäre Hauptmänner. Durch die Boxen werden uns jedoch eben solche mindestens garantiert. Öffnen wir ein paar, können wir ganze Gebiete in wenigen Minuten komplett auf unsere Seite ziehen und müssen nicht mal gegen die Hauptmänner kämpfen. Wer die Echtgeld-Boxen kauft, unterstützt also Pay-To-Win-Mechaniken in Singleplayer-Spielen.
Grafik & Technik
Grafisch ist Mittelerde: Schatten des Krieges zwar nicht in der Steinzeit stecken geblieben, kann aber mit ähnlichen Titeln wir Assassin’s Creed nicht mithalten. Die Bauten wirken weniger detailreich und die Bodentexturen sind oft nicht mehr zeitgemäß. Dennoch entsteht ein ordentlicher Gesamteindruck, der durch die schönen Animationen und die abwechslungsreich gestaltete Umgebung verstärkt wird. Auch die gut vertonten Charaktere und der Humor sowie generell die gute Soundkulisse tun ihr Übriges. Insgesamt befinden wir uns wohl im schönsten schaurigen Mordor, das es bisher gibt.
Das Optionsmenü ist wirklich vorbildlich umgesetzt. Auf dem PC zeigen zwei Balken, wie die zu erwartende Belegung ist. Der obere widmet sich dem System, der untere dem Grafikspeicher. Auch die Hardware kann eingeschätzt werden und so Einstellungen automatisch vorwegnehmen. Wer mit der Hardware der minimalen Anforderungen spielt, muss große Abstriche bei der Grafik machen. Dennoch läuft das Spiel auf einem Zweikerner mit hohen Bildraten. Dafür ist beim Multithreading noch Ausbau wünschenswert. Lediglich der Sprung von zwei auf vier Kerne bringt einen Unterschied.
Fazit
Mittelerde: Schatten des Krieges kann vieles besser machen, als es der Vorgänger tat. Dennoch bleiben einige Schwächen oder kommen hinzu. Am Ende ist es eine Hass-Liebe, die man zum Spiel aufbaut. Das Land Mordor wurde wirklich gut umgesetzt, doch leider wirken die Charaktere zu blass und gehen teilweise unter. Auch die Kämpfe sind sehr gut und flüssig umgesetzt, doch die Steuerung hakelt und frustriert oft – auch in entscheidenden Szenen. Die wichtigen Verbesserungen sind sehr gut, doch neue Elemente machen vieles kaputt. Stichwort Lootboxen. Durch diese lässt sich nicht nur Zeit sparen, sondern man kann seine Armee auch binnen Minuten zu einem extrem starken Heer machen. Dadurch wird es, wer es sich genauer anschaut, zu einem Pay-To-Win-Modell. Hier sei zu erwähnen, dass im Spiel zwar nichts wirklich schwer ist, doch die enorme Zeitersparnis und die Möglichkeit, schnell an gute Hauptmänner zu kommen ist sehr kontraproduktiv. Leider gibt es auch im Spielverlauf viele Momente, die einen frustrieren und den Spielspaß nehmen. Dazu gehören auch die Türme Saurons, bei denen man erst die ganzen Sammelitems suchen und entdecken muss. Das hätte man viel einfacher lösen können. Wer Mordors Schatten schon geliebt hat, wird mit Schatten des Krieges nicht viel falsch machen. Am Ende überwiegt dann doch die Liebe, wie bei mir.