Taktik-Spektakel oder Bug-Wüste? Rainbow Six Siege bringt frischen Wind ins Genre, doch reicht das auch, um das Spiel als soliden Shooter zwischen vielen erfolgreichen Marken zu etablieren? Wir haben das Spiel getestet und verraten euch unsere Meinung.
Wir haben uns diesmal für einen etwas unorthodoxen Start in diese Review entschieden, indem wir euch sagen, was Rainbow Six Siege nicht ist. Siege ist kein Nachfolger der alten Rainbow Six-Spiele, kein Prequel, Sequel oder Indermittequel. Der neue Tom Clancy-Shooter ist eine Neuinterpretation der Reihe, mit anderem Fokus und anderen Mechaniken. Doch im Herzen bleibt auch Siege ein Rainbow Six-Spiel. Zumindest mehr, als es die Vegas-Teile waren.
Rainbow Six Siege verzichtet auf eine Kampagne – das ist mehr als eine Ohrfeige für passionierte Anhänger der Reihe. Als Fan wäre es vielleicht noch verschmerzbar gewesen, dass ihr im gesamten Spiel keine einzige Tür findet – scheinbar war die Technik da vor zwölf Jahren weiter -, aber das Fehlen der Singleplayer-Kampagne ist ein ganz anderes Kaliber. Wir sprechen hier von einem Tom Clancy’s Rainbow Six-Spiel, eine Marke, die für taktische Gefechte an der Seite von kontrollierbaren KI-Kameraden steht, in einer vom Terrorismus bedrohten Welt… Wir sind uns darüber im Klaren, dass Siege die Romanvorlage eines Tom Clancy’s fehlt, doch gerade in der heutigen Zeit, zwischen IS und Co. sollte jeder halbwegs fähige Drehbuchautor ein anständiges Skript für ein Drehbuch hinbekommen, das als Grundlage für eine mehr oder weniger gescheite Story hätte dienen können. Die Themen liegen quasi in der Welt direkt vor uns, und es ist keineswegs so, als hätte Siege nicht das Potential für eine packende Kampagne – im Gegenteil, wie wir euch später noch ausführlich erläutern werden. Wir können die Beweggründe der Entwickler auch teilweise nachvollziehen, dass Multiplayer-fokussierte Spiele gerade in sind. Auf der anderen Seite beweisen der Hype um und die Verkaufzahlen von Fallout 4, dass Singleplayer alles andere als gestorben sind. Wir finden einfach, dass es sich falsch anfühlt, dass ausgerechnet ein Call of Duty den Durst nach einer gelungenen Story in einem Shooter stillen muss anstelle eines Rainbow Six-Titels. Allein dafür ziehen wir Ubisoft in unseren finalen Wertung 0,5 Punkte ab.
Einen ganzen weiteren Punkt ziehen wir ab für die zahlreichen Bugs und schlecht umgesetzten Ideen, welche Rainbow Six Siege uns präsentiert. Beine glitchen durch Wände, die Hitdetection ist furchtbar, die KI der Terroristen im PvE ist quasi nicht vorhanden. Die Performance, in der Closed Beta noch überraschend gut, lässt im fertigen Spiel oftmals arg zu wünschen übrig. Ganz unglaublich schlecht ist das VOIP, das für die meisten überhaupt nicht oder nur dann funktioniert, wenn man es nicht will. Dazu kommen unglaublich viele Features, die uns während der E3-Präsentation 2014 angepriesen und im fertigen Spiel einfach weggelassen oder arg beschnitten wurden. Bestes Beispiel dafür ist die vertikale Zerstörung: In der E3-Präsentation konnte man noch durch quasi jede Decke aus Holz brechen. Im jetztigen Zustand gibt es dedizierte Fallluken, die ihr aufsprengen könnt. Restliche Holzdecken sind durch Streben verstärkt, sodass ihr zwar durchschießen, aber nicht mehr nach unten gelangen könnt. Die meisten Dächer und Außenwände sind inzwischen überhaupt nicht mehr passierbar. Wir fragen uns, was soll das? Die Zerstörung ist quasi das Vorzeigefeature des Spiels und wurde trotzdem so dermaßen verkrüppelt, dass man als Spieler das Gefühl bekommt, die Entwickler halten einen für zu dämlich, um herauszufinden, durch welche Decken man brechen kann und durch welche nicht. Dazu kommen einige unverständliche Design-Entscheidungen, wie etwa die Barrikaden von Castle, die eigentlich so sicher sein sollten, de facto aber kaum mehr Schutz bieten als normale.
Siege erzeugt eine große Diskrepanz zwischen guten Konzepten und schlechter Umsetzung gepaart mit zahlreichen Bugs, die nicht da sein dürften, uns aber gar nicht mal so sehr überraschen im Anbetracht der Tatsache, dass wir es hier mit der Anvil Next-Engine zu tun haben.
Inhaltsverzeichnis
• Setting und Spielmodi • Grafik und Technik • Gameplay • Fazit
Setting und Spielmodi
Wie bereits festgestellt, hat Rainbow Six Siege keine wirkliche Story. Doch wie verkaufen uns die Entwickler das Setting des Spiels? Im Kern geht es in Siege um eine Gruppe Terroristen, die sich „White Masks“ schimpft. Gegen eben diese tretet ihr in den singleplayer-„artigen“ Situations an, das sind insgesamt zehn Solomissionen plus eine „geheime“ elfte Mission, die ihr nach Abschluss der ersten zehn freischaltet und in welcher ihr mit anderen Spielern eine Art Terrorist Hunt-Runde bestreitet. Die Gefechte gegen die White Masks führt ihr dementsprechend auch im Terrorist Hunt-Modus, im PvP spielen sie dagegen keine Rolle.
In Rainbow Six Siege stehen euch drei Spieloptionen zur Verfügung: Situations, welche als Einführung ins Spiel dienen und das sind, was in Siege einem Singleplayer am nächsten kommt, Terrorist Hunt, in welchem ihr mit anderen Spielern in vier verschiedenen Modi (Classic, Hostage Rescue, Secure Hostage und Bomb) gegen die White Masks kämpft und der PvP-Modus, in dem ihr in drei Modi (Hostage Rescue, Secure Area und Defuse Bomb) gegen andere Spieler 5vs5 antretet. Gespielt wird auf insgesamt elf verschiedenen Maps, wobei eine davon exklusiv der letzten Situation vorbehalten ist. Die einzelnen Maps, gelegen in den Ländern der jeweiligen CTU-Einheiten, unterscheiden sich vom grundsätzlichen Aufbau kaum, zumeist gilt es, ein mehrstöckiges Haus zu stürmen. Die Unterschiede sind dahei eher gering, sie liegen mehr im Detail, einzig die Flugzeugmap sticht heraus. Neben mehreren kompakten Maps gibt es auch einige für Siege-Verhältnisse ziemlich große Maps, die kennen zu lernen wohl einige Spielstunden brauchen wird.
Grafik und Technik
Die Anvil Next-Engine, auf der Rainbow Six Siege basiert, kennen wir bereits aus den neueren Assassin’s Creed-Teilen. Doch so wie in Siege haben wir die Engine bisher noch nie gesehen: Dank dem dynamischen Zerstörungs-System fliegen uns in Siege die Fetzen nur so um die Ohren, die coolen Explosionen sind definitiv eines der Highlights des Spiels. Die restliche Grafik ist dagegen allerdings allerhöchstens durchschnittlich, mit einigen wirklich ärgerlichen Aspekten. So zum Beispiel die Licht-Effekte, welche Ubisoft dem Spiel spendiert hat: Schaut ihr aus einem hellen Raum in einen dunklen, so seht ihr dort drin erst einmal gar nichts. Gegner von innen sehen euch aber ohne jedes Problem, was oftmals zu schwer nachvollziehbaren Toden führt. Von den Lichtverhältnissen ganz besonders benachteiligt ist aber der Operator Glaz, durch dessen Visier ihr schon in der Nähe eine Lichtquelle durch übertriebene Reflexionen nichts mehr wirklich erkennen könnt.
Nicht weniger nervig sind viele der Animationen. Auf der einen Seite ist es löblich, dass die Entwickler ihrem Shooter eine große Fülle an verschiedenen Animationen verpasst haben. Auf der anderen Seite sind einige davon so schlampig schlecht, dass es uns dann doch lieber gewesen wäre, man hätte ganz darauf verzichtet. So sehen etwa die Laufanimationen oftmals so aus, als würden die Charaktere über dem Boden gleiten anstatt wirklich auf ihm zu laufen. Nun kann man schlecht auf eine Laufanimation verzichten, aber mehr Mühe geben ist allemal drin. Anders sieht das aus bei der Animation, wenn ihr einen Defuser entschärft: Euer Operator schlägt in diesem Fall irgendwie mit seiner Waffe auf das Gerät, um es zu zerstören. Das sieht dermaßen kacke aus, dass wir einen schlichten Countdown ohne Animation schon fast gefeiert hätten. Und diese Bewegung ist beileibe nicht die einzige Animation der Kategorie „Hat unser Praktikant in 10 Minuten gefertigt“.
Das nächste Manko des Spiels macht sich beim Sound bemerkbar. Dieser ist im allgemeinen wirklich gut – die Waffen klingen satt und überzeugend, die Atmosphäre ist stimmig, sogar der etwas eigene Soundtrack fügt sich nahtlos ins Gesamtbild ein. Das Problem liegt bei der „Verteilung“ der Geräusche. Im Voraus prahlte Ubisoft noch stolz in einem Video, wie sich Geräusche in Rainbow Six Siege verbreiten. Das würde ganz realistisch passieren, sodass es ingame für Spieler möglich wäre, genau zu bestimmen, von woher genau die Schritte eines Mitspielers oder Gegners kämen. Soweit in der Theorie: In der Praxis sieht das ganz anders aus. Die Schrittgeräusche in Siege könnten nicht verwirrender sein. So kann man zwar recht gut erkennen, von welcher Seite sie ungefähr kommen. Aber ob über, unter oder auf der gleichen Etage – das ist meist unmöglich herauszuhören.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Taktik-Shooter, was Grafik und Technik anbetrifft, viele gute Ansätze hat. Doch im Detail fallen einige Aspekte auf, die den Gesamteindruck leider arg trüben.