„Wolfenstein hat das Zeug zu einem Klassiker“ – das zumindest versprechen die großen, roten Werbeplakate die man in der Stadt bewundern kann. Wie viel Klassiker tatsächlich in The New Order drinsteckt, haben wir für euch getestet. Gespielt haben wir die deutsche, nach § 86a des deutschen Strafgesetzbuches, geschnittene Fassung auf der Xbox One.
Story
In Wolfenstein ging es seit Beginn der Serie eigentlich immer nur um eines: kompromisslos auf Nazi-Jagd gehen. Natürlich heißen die Nazis in der deutschen Version nicht Nazis, wir jagen das Regime – aber jeder weiß ja, was eigentlich gemeint ist. Protagonist von The New Order ist William „BJ.“ Blazkowicz – ein alter Bekannter für Wolfenstein-Veteranen, denn das erste Mal war der Muskelprotz bereits 1992 spielbar. Die Geschichte startet im Jahr 1946, in einer Festung des Regimes. Das Spiel führt uns grob in die Steuerung ein und dann geht es los – nicht nur mit Geballere, sondern auch mit den ersten Stealthparts. Nach einem spannenden Showdown gegen eine Dreimeter-Kampfmaschine geht Blazkowicz K.O. und wird von einem leicht sadistischen Arzt gefangen genommen. Dieser zwingt den Spieler zu einer Entscheidung: wer soll sterben? Der junge, unerfahrene Soldat oder der alte Kriegsveteran?
Diese Entscheidung schaltet eine von zwei Zeitlinien frei, je nachdem, wen wir sterben lassen. Die Unterschiede sind teils relativ dezent, teilweise aber auch ziemlich enorm. Lassen wir de Veteranen am Leben, lernen wir beispielsweise die Fähigkeit des Kurzschließens. Dadurch eröffnen sich später andere Wege in den Levels. Wer stattdessen den jungen Soldaten am Leben lässt, lernt wie man Schlösser knackt. Ebenso praktisch, aber damit werden andere Areale und Wege zugänglich. Diese Entscheidung beeinflusst sogar die Charaktere und Dialoge mit euren Brüdern beim Widerstand – ein zweiter Durchgang ist also ratsam.
Charaktere
Der Protagonist des Spiels ist, wie bereits erwähnt, William „BJ.“ Blazkowicz, ein altgedienter Kriegsveteran. Ein Typ, dem man nicht unbedingt Gefühle zutrauen würde, aber tatsächlich verliebt er sich glaubhaft in die Tochter des Arztes, der ihn in der Psychatrie behandelt hat. Und tatsächlich meinen wir auch glaubhaft, was nicht zuletzt den deutschen Synchron-Stimmen zu verdanken ist. Doch auch die anderen Charaktere sind sehr schön und glaubhaft in Szene gesetzt. Da haben wir neben der Tochter, die beiden Kameraden (von denen nur einer leben kann) und auch einen ganzen Haufen an Widerstandskämpfern, jeder mit seiner eigenen Geschichte. Diese Geschichten erzählen die Leute jedoch nicht von sich aus. Manchmal muss der Spieler direkt mit ihnen agieren, manchmal erzählt euch ein anderer Charakter etwas und hin und wieder müsst ihr erst eine kleine Aufgabe erfüllen. Aber auch die Charaktere des Regimes sind perfekt – böse, sadistisch, verrückt. Jede Facette glaubhaft und überzeugend dargestellt, nicht zuletzt dadurch, dass diese Charakter-Züge teilweise sehr überzogen werden, ohne jedoch ins lächerliche zu verkommen.
Gameplay
Wolfenstein ist ein klassischer Shooter, sprich mit sehr schlauchförmigen Levels. Jedoch bietet The New Order viele alternative Routen und Lösungswege. So wird jeder Spielertyp glücklich: wer stumpf ballern möchte, kommt ebenso gut durch, wie jemand der sich durchschleicht. Die Schleich-Einlagen funktionieren übrigens besser als in Assassin’s Creed oder im 2013er Thief – das einzige was wohl negativ daran auffällt: die KI ignoriert ihre toten Kameraden einfach – überhaupt ist die KI nicht die schlauste.
Die kleinen KI-„Nazis“ rennen gerne mal auf’s offene Feld um dort von unserem Sturmgewehr begrüßt zu werden. Aber wer hat auch behauptet das Nazis (bzw. Regime-Soldaten) schlau sind? Wolfenstein ist endlich mal wieder ein Shooter der etwas mehr fordert, als die Kampagnen von Battlefield 4 oder CoD: Ghosts.Das Gameplay ist wie es sich für ein Wolfenstein gehört – schnell, hart und laut. Die Steuerung ist wunderbar und direkt, auch mit dem Pad lässt sich die Kampfmaschine namens Blazkowicz präzise und schnell bewegen. Die Waffen lassen sich gut spielen, egal ob im guten, alten Akimbo-Modus oder einzeln.
Wo wir grade bei den Waffen sind, das Arsenal ist überschaubar und außer einem Raketenwerfer ab und an, haben wir nichts vermissen können. Neben einer Pistole, die wunschweise auf Knopfdruck einen Schalldämpfer bekommt, gibt es da noch das klassische Maschinengewehr, eine vollautomatische Schrotflinte und später ein Laser-Gewehr. Alle bis hierhin aufgezählten Waffen lassen sich auch im Akimbo-Modus, sprich jeder Arm eine Waffe, spielen. Es gibt auch noch ein paar einhändige Waffen, wie ein Scharfschützengeweher oder diverse Geschütze. Eine der wichtigsten Waffen ist aber wohl der Lasercutter, der wie alle anderen Waffen auch ein paar Upgrades bekommt. Diese Upgrades sind übrigens nicht alle zwingend erforderlich – einige sind versteckt und wer sie nicht findet, der spielt eben ohne weiter. Mit dem Lasercutter könnt ihr zum Beispiel Gitter aufschweißen, um alternative Routen zu öffnen.
Nach einer Verwundung regeneriert sich der Spieler beispielsweise nicht völlig, sondern nur bis zur nächsten 20er-Marke. Dadurch muss man zwangsläufig vorsichtiger spielen und Angriff ist nicht immer der beste Weg. Besonders bei den gepanzerten Gegnern oder den Endgegnern empfiehlt es sich, einer direkten Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Munition wächst in Wolfenstein nämlich auch nicht auf den Bäumen und so sollte man gut zielen und vor allem sollte man wissen, wann welche Waffe angebracht ist.
Grafik
Wolfenstein läuft auf der iD Tech 5, die unter anderem auch schon in R.A.G.E. genutzt wurde und dort wunderbare Ergebnisse geschaffen hat – auch in Doom 4 wird diese Engine wohl genutzt werden. Die Engine kann in TNO zeigen, was sie drauf hat. Scharfe Schatten, wunderbare Partikel-Effekte, wie Nebelschwaden oder Funken. Auch die Texturen sind scharf gehalten – zumindest scheint es so, wenn man sich bewegt. Erst wenn man sich einige Texturen genauer ansieht, merkt man dass die Grafik an die Geschwindigkeit des Spiels angepasst wurde. Waffen-Texturen sind wunderschön und detailreich dargestellt. Auch die Umgebung scheint so, solange man nicht genauer hinsieht.
Jedoch muss man auch sagen, dass es die Schuld der Engine ist, dass Wolfenstein stolze 40 GB groß ist – eine solche Grafikpracht braucht eben Platz. Deswegen kommen die Fassungen für die Xbox 360 und den PC auch von Haus aus auf 4 Discs. Die Fassungen für die PlayStation 3 & 4, wie auch für die Xbox One kommen dank BluRay mit einer Disc aus. Auch wenn das Spiel viel Platz braucht – auf den beiden NextGen-Konsolen läuft der Titel flüssig in einer Auflösung von 1080p bei 60fps. Die Gen3-Konsolen mussten hier wohl kleinere Abstriche machen: genaue Daten sind hier jedoch nicht bekannt.
Sound
The New Order hat eine tolle Sound-Engine, die wunderbare Echos und Waffentöne berechnet. So hört sich die Waffe immer etwas anders an, je nachdem ob man auf einem Feld steht oder in einem Bunker. Das einzige was am Sound leider negativ auffällt, sind die fehlenden Einstellungsmöglichkeiten. Stimmen sind teilweise sehr leise und lassen sich nicht separat lauter stellen, da es nur einen Regler für die Gesamt-Lautstärke gibt.
Zensur
Die Aufregung war groß, denn die Zensur hat in Wolfenstein: The New Order Einzug gehalten – wie bei jedem anderen Teil der Serie auch. Allerdings ist die deutsche Fassung nicht viel schlechter geworden. Gewalt wurde schließlich überhaupt nicht geschnitten – vielleicht auch, damit die deutschen Zocker nicht völlig auf die Barrikaden steigen. Dass man die Nazis durch das Regime ersetzt hat und die Hakenkreuze durch das dementsprechende Symbol kann man aber verkraften. Doch es wurden auch einige Dialoge komplett geändert und „entschärft“ und das fehlt in der deutschen Version leider doch. Grundsätzlich fällt es aber nicht auf, wenn man die US-/UK-Version nicht kennt.
Mit Wolfenstein: The New Order ist MachineGames keine Überraschung gelungen. Vielmehr ist es der solide Shooter geworden, den man erwartet hat. Mit einer tollen Geschichte, tollen Charakteren und einer großartigen Inszenierung hat Wolfenstein: The New Order tatsächlich das Zeug zu einem Klassiker. Mit der selben Grafik-Engine, die aus R.A.G.E. schon ein Grafik-Fest gemacht hat, ist The New Order auch grafisch beeindruckend geworden. Tolle Partikel- und Lichteffekte und tolle scharfe Texturen.
Der ganze Titel bietet auch noch bis zu 20 Stunden Spielspaß, was für einen Shooter heutzutage schon eine Menge ist. Mit ausgefallenen Level-Designs, wie zum Beispiel einer Mond-Basis, wird es auch bei den schlauchförmigen Levels in TNO niemals langweilig.